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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Wurzeln des Laichkrauts, das er in der vorderen Ecke gepflanzt hatte, mit einem Kieshügel. Er hörte das Gemurmel des Wassers, spürte das sanfte Streichen der Halme auf seiner Haut, genoss das gemächliche, wonnige Vergnügen, etwas zu tun, etwas zu formen, mit eigenen Händen eine Welt zu erschaffen. Eine längere Zeitspanne verstrich – fünf Minuten? Zehn? –, ehe er wieder etwas sagte. »Wie hat sich denn Ruth so gemacht?«, fragte er und sah dabei über die Schulter.
    Septima ließ ihr Buch sinken und musterte ihn über den Rand ihrer Lesebrille. Eine leise Überraschung kräuselte den feinen weißen Strand ihres Haaransatzes. »Hast du sie denn noch gar nicht gesehen?«
    »Nur ganz kurz. Als ich gerade mit Owen das Aquarium raufgeschleppt habe, da ist sie an mir vorbeigerannt – sie sagte, sie müsste noch mal in ihr Studio zurück …«
    »Um diese Zeit?«
    Saxby zuckte die Achseln. Das Wasser auf seinen Händen fühlte sich plötzlich kalt an.
    »Sie hat das Abendessen versäumt? Und die Cocktails auch?«
    »Scheint so.« Das Aquarium war jetzt zu drei Vierteln voll, und das Wasser sah so grau aus wie ein Geröllfeld. »Ich kann ihr ja immer noch von Rico irgendwas machen lassen – oder wir könnten uns unten im Laden ein Brot und ein paar Scheiben Käse holen.«
    Seine Mutter hatte einen abwesenden Blick. Er stellte sich vor, dass sie im Geiste gerade die Scharen von Künstlern Revue passieren ließ, die in den vielen Jahren durch Thanatopsis House gegangen waren – die mehr und die weniger bedeutenden, von gänzlich Unbekannten bis hin zu namhaften Berühmtheiten –, und dabei mitzählte, wie viele von ihnen je die abendliche Cocktailstunde versäumt hatten. Er nahm die Hände aus dem kalten Wasser und begrub sie in einem Handtuch. »Ist ja kein Beinbruch«, sagte er, »ich dachte nur –«
    »Um Ruth brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, sagte sie plötzlich.
    »Ach, Sorgen mache ich mir keine« – er wedelte mit dem Handtuch –, »nur, sie ist neu hier und fühlt sich ein bisschen unsicher, glaube ich – vielleicht etwas eingeschüchtert –, jedenfalls habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich hab ihr gesagt, dass ich bloß zwei Tage fortbleibe, aber dann sind es doch vier geworden, und …« Er vollendete den Satz nicht.
    »Saxby, mein Lieber«, sagte sie, und ihre Stimme war wieder voller Wolken, das Alter zitterte darin, »fuchtle nicht dauernd mit dem Ding da herum, sondern komm mal her und setz dich einen Moment zu deiner Mutter.«
    Auf der Außenseite des Glases bildete sich ein Film von Kondenswasser, denn der Schlauch beförderte flüssiges Eis tief aus dem Innern der Erde, und ihm wurde klar, dass es drei bis vier Tage dauern würde, bis das Wasser warm genug wäre, um die Fische einzusetzen. Der Gedanke war eine Spur deprimierend – die Erregung lag ja im Vollenden, sechs Tage Arbeit und einen, um sich zurückzulehnen und zu sehen, dass es gut war –, und er machte einen Schritt auf seine Mutter zu, zögerte aber dann und warf einen letzten kritischen Blick auf das Aquarium. Er sah zu, wie sich die Pflanzen in der Strömung des Wasserschlauchs und des gewaltigen Filtersystems duckten und bogen, er musterte die verborgenen Höhlen und Schluchten und submarinen Herbergen, die er aus Stein geformt hatte, ganz kurz bewunderte er nochmals die Dimensionen, die enorme Größe des Kastens – zwei Meter lang und siebenhundertfünfzig Liter Inhalt! –, dann ging er langsam durchs Zimmer und ließ sich neben dem Sessel seiner Mutter nieder. Sofort spürte er ihre Hand auf seiner Schulter und die mütterlichen Finger, die sanft an seinem Ohr zupften.
    »Ich möchte dir was sagen«, begann sie. Ihre Stimme zitterte noch immer, jetzt aber lag darin auch ein frisches, verspieltes Tremolo. »Und ich möchte, dass du mir gut zuhörst. Wir stören unsere Künstler nicht bei der Arbeit, ganz egal wie spät es ist oder wie gerne wir« – sie machte eine Pause – »wir ihnen zeigen möchten, wie sehr sie uns gefehlt haben. Meinst du nicht auch, mein Lieber?«
    Es gab keine Antwort. Er lauschte, wie der langsame, stetige Herzschlag der Pumpe die dichte Atmosphäre der kleinen Welt umwälzte, die er da hinter einer gläsernen Wand zum Leben erweckt hatte, und mit einem Mal fühlte er sich schläfrig.
    »Bis nach dem Abendessen zu arbeiten«, seufzte Septima, und ihre kühle, ebenmäßige Hand massierte ihm den Nacken. »Da muss sie wohl wirklich an etwas dran sein.«
    Es war schon spät – nach eins

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