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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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nicht nur kollegial gemeinten Blick bedachte. Sie trat von einem Fuß auf den anderen, leerte ihr Glas und seufzte. »Na, ich werde mal auf die Suche nach Sax gehen«, sagte sie. »Viel Spaß noch.«
    Und dann arbeitete sie sich vorwärts in Richtung Bar, wobei sie hie und da Leute grüßte, die sie aus Darien oder von den Fahrten mit Saxby an den Strand von Tupelo Shores kannte – immer Ausschau haltend nach Sandy, Irving Thalamus, irgendwem. Sie blieb stehen, um die Tanzfläche abzusuchen und ein Glas Champagner entgegenzunehmen von einem schwarzen Bediensteten, dessen Miene ungerührt blieb und dessen Haar und Uniform so weiß waren wie ein Becher mit Waschmittel. Die Band spielte jetzt einen schweren, pulsierenden Rhythmus, der stark an Reggae erinnerte, und während sich die Tänzer nach Nature Boy aus ihren engen Umarmungen lösten und anfingen, zu dem spastischen Takt mit den Gliedmaßen zu fuchteln, entdeckte Ruth Sandy. Er tanzte mit einem Mädchen, das sie noch nie gesehen hatte – es wirkte sehr jung, als wäre es gerade erst in der Pubertät, aber es war eine geborene Schönheit. Ruth fragte sich, wer das wohl sei, und verspürte einen leisen Stich der Enttäuschung, als Sandy sich eng an sie schmiegte, dann aber erblickte sie Abercorn, der mit seinem gefärbten Schopf und gesprenkelten Gesicht alle anderen hoch überragte, als balancierte sein Kopf auf einer langen Stange. Er wand sich in rhapsodischen Zuckungen zur Musik. Mit wem tanzte er da eigentlich? Das Gedränge wurde einen halben Takt lang noch dichter, dann wich es auseinander, und Ruth sah gegenüber von Abercorn voller Staunen Ina Soderbord mit ihren breiten Hüften, Schultern und Brüsten wackeln, als ob sie gerade mit einem Schlauch abgespritzt würde. Dann gruppierte sich die Menge neu, und vor ihr wand und krümmte sich Bob Penick mit seiner Frau (eine Haarfarbe wie Hühnerleber, glänzendes High-School-Ballkleid mit verwelktem Anstecksträußchen), keine zehn Schritte von Ina entfernt. Sie tanzten einen abgewandelten Frug, einen Tanz, den Ruth in ihrer Schulzeit gelernt und sich wieder abgewöhnt hatte.
    Sie trank den Champagner aus – war das schon ihr drittes Glas? – und nahm sich ein neues von dem Mann mit dem steinernen Gesicht. (Bekam Lust, ihn zu necken, so wie die Touristen die Wachsoldaten vor dem Buckingham-Palast – wollte ihn kitzeln, ihm ins Ohr pusten oder so etwas –, aber sie besann sich noch rechtzeitig: Wie viel Lässigkeit konnte man schon von einem alten Schwarzen erwarten, der in Georgia auf einer Party in einem gestärkten Smoking reichen weißen Leuten ihre Drinks servieren musste?) Sie fühlte sich beschwingt und amüsiert, auch wenn ihr der große Auftritt versagt geblieben war. Abercorn mit Ina Soderbord. Das war witzig: das Bleichgesicht mit einer noch Bleicheren. Und wenn die nun Kinder bekamen? Die hätten wohl weder Haare noch Augenbrauen, wären weiß wie Engerlinge, mit rosa Fischäuglein, und sie würden zu wahren Riesen aufwachsen, mit mächtigen Schultern und Brüsten und mit Füßen, bei denen jeder Schuhverkäufer Albträume hätte. Die Jungen würden billige Mäntel kaufen, und die Mädchen würden Doppelnamen annehmen – Soderbord-Abercorn –, und die Leute würden glauben, es handle sich um ein landwirtschaftliches Produkt, vielleicht ein Mittel gegen Saateulenraupen, das man auf den Feldern versprühte. O ja, es war zum Schießen. Und Ruth war beschwingt. Aber wo war Sax?
    In diesem Augenblick ließ die Band die Blasinstrumente aufjubeln und ging nahtlos über in einen pianoklimpernden Boogie-Woogie – abwechslungsreich waren sie ja, das musste man ihnen lassen –, und das trockene, keckernde Lachen von Irving Thalamus hallte von der Bar herüber. Ruth drehte sich um und bahnte sich mit den Ellenbogen einen Weg durch die Menge, folgte diesem Geräusch so unbeirrbar wie eine Katze, die einem Rascheln im Gras nachspürt. Ein unbedeutendes Dichterpaar und ein Schwarm alter Damen in rosa Chiffon machten ihr Platz, und da war er, Irving Thalamus, lehnte an der Theke und lachte direkt in Regina McIntyres Dekolleté hinein. Regina zeigte großflächig totenweiße Schultern und Busen, der Rest ihres Körpers steckte in einem schwarzen Lederkleid, in dem sie aussah wie eine Statistin in einem Film über Vampire aus dem Weltraum. Aber Ruths Blick verweilte nicht lange bei Regina oder Thalamus, weil sie jetzt am anderen Ende der Theke Saxby erspähte, und im nächsten Moment wurde ihr heiß und

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