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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte, blieb aus. Sein Blick suchte die anderen beiden Schiffe.
    Auf ihren Decks war Aufregung und Bewegung entstanden, aber die Männer schienen nicht in den Kampf eingreifen zu wollen.
    Hellmark begriff. Das Ganze war alles andere als eine spon-tane Meuterei. Der Überfall war lange, vielleicht schon vor Anbruch der Reise, geplant worden. Die Verräter hatten nur gewartet, bis das Ziel der Fahrt erreicht war. Wahrscheinlich waren Tjelsund und er die einzigen, die nichts von dem geplanten Aufstand gewußt hatten.
    Er trat ein Stück von der Reling zurück und sah sich um.
    Die Männer hatten einen weiten, aber undurchdringlichen Halbkreis um ihn gebildet, und die Spitzen ihrer Waffen wiesen auf ihn.
    »Nun gut«, knurrte Hellmark. »Wenn ihr mich töten wollt, dann versucht es!« Er hob sein Schwert und trat einen Schritt auf die Krieger zu. Die Männer drängten sich angstvoll zusammen, obwohl sie ihm in zwanzigfacher Übermacht gegenüberstanden.
    »Ihr Feiglinge!« schrie Hellmark. »Kämpft!« Mit einem gellenden Schrei sprang er weiter vor, stieß einen Mann mit einem wuchtigen Hieb seines Schildes über Bord und schlug einen zweiten mit einem Schwertstreich nieder. Die Männer wichen mit einem vielstimmigen, erschrockenen Aufschrei zurück, aber das Boot war zu klein, um Platz für eine Flucht zu bieten.
    Hellmark lachte dröhnend, wehrte einen nur mit halber Kraft geführten Schwerthieb ab und tötete den Mann mit einem blitzschnellen Gegenschlag. Sein Schwert schnitt einen blitzenden, tödlichen Halbkreis vor ihm in die Luft, krachte auf Rüstungen und Schilde. Noch immer wehrte sich kaum einer von ihnen. Es war nicht so sehr Hellmarks Kraft, die sie lähmte, als vielmehr die ungestüme Wut seines Angriffes. Der hünenhafte Wikinger focht mit der Wildheit eines tobenden Bären, schrie und schlug wie ein Irrsinniger um sich und streckte einen nach dem anderen zu Boden. Ein Schwertstreich durchbrach seine Deckung und riß seine Seite auf, aber er schien die Verletzung nicht einmal zu spüren.
    Wie ein leibhaftig gewordener Rachegott trieb er die Männer vor sich her. Sein Schild zerbrach unter einem wuchtigen Hieb; er schleuderte ihn fort, packte das Schwert mit beiden Händen und kämpfte weiter. Bereits nach wenigen Augenblicken blutete er aus zahllosen Wunden, doch die Schmerzen steigerten seine Wut eher noch, und er tötete Mann auf Mann. Schon bald war fast ein Dutzend der Krieger tot oder schwer verwundet, und die, die seinem Toben bisher entkommen waren, sprangen in blinder Angst über Bord und schwammen auf die anderen Schiffe zu.
    Hellmark ließ keuchend die Waffe sinken und sah sich um.
    Das Schiff bot einen Anblick des Grauens. Überall lagen Tote und Sterbende, und das Wasser ringsum schäumte von den verzweifelten Bewegungen der Männer, die zu entkommen versuchten. Es war nicht das erstemal, daß Hellmark ein Bild wie dieses sah. Der Tod gehörte zu seinem Leben wie ein dunkler Bruder, der ihn vom ersten Tag an begleitet hatte, aber noch nie hatte er eine so hilflose, ohnmächtige Wut verspürt wie jetzt, einen Zorn, der sogar den furchtbaren Schmerz hinwegspülte, der sich in seinen Körper gekrallt hatte.
    Es waren seine Männer, die er hier tot oder sterbend vor sich liegen sah, gestorben unter seinen Schwerthieben.
    Sekundenlang blieb Hellmark reglos stehen und starrte in den Nebel, der sich wieder dichter um die kleine Flotte zusammengezogen hatte. Seine dunklen Vorahnungen hatten ihn nicht getäuscht. Aber die Gefahr war aus einer Richtung gekommen, aus der er sie am allerwenigsten vermutet hatte.
    Es waren nicht die Götter gewesen, die ihm gedroht hatten, nicht die dieses Landes und schon gar nicht seine eigenen.
    Hellmark lachte; leise, hart und sehr bitter. Das Boot erzitterte unter seinen Füßen und legte sich ein wenig auf die Seite.
    So schnell und gefährlich die Drachenboote waren, so rasch konnten sie sinken, wenn ihre schlanken, nur aus einer einzigen Kammer bestehenden Rümpfe beschädigt waren. Es würde bald vorbei sein; sehr bald. Es war eine grausame Ironie des Schicksals, er hatte eine Reise überstanden, die noch keiner vor ihm lebend hinter sich gebracht hatte, und jetzt sollte er, das Ziel vor Augen, sterben.
    Sterben, weil ein anderer den Ruhm beanspruchte, diese neue Welt entdeckt zu haben. Ericksons Boot trieb langsam auf das seine zu. Männer zogen sich über die Reling, und die Ruder wurden wieder zu Wasser gelassen. Hinter dem geschnitzten Drachenkopf an seinem

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