Der Sand der Zeit
über das Deck. Der Zwi-schenfall war nicht unbemerkt geblieben, fast alle Männer sahen gebannt und verwirrt zu ihm und Lars oder zu den beiden Schiffen hinüber, und einige waren auch aufgesprungen und hatten ihre Waffen ergriffen.
Aber es war nicht sicher, für welche Seite sie Partei ergreifen würden. Nervös fuhr er sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Tjelsund versuchte an ihm vorbeizugehen, um in Lars’
Rücken zu gelangen, aber der andere war viel zu erfahren, um darauf hereinzufallen. Sein Schwert schlug in einem mehr als Warnung gedachten Hieb nach Tjelsunds Gesicht und trieb ihn zurück.
»Weißt du, was ich glaube?« fragte Hellmark ruhig. Er mußte Zeit gewinnen. Ericksons Schiff hatte beigedreht, so daß sie die Reling mit den dicht an dicht aufgestellten, buntbemalten runden Schilden sehen konnten. Darüber waren gespannte Bögen zu erkennen, Dutzende von Pfeilspitzen, die drohend auf sein Schiff und die Männer deuteten. Niemand unternahm auch nur einen Versuch, Widerstand zu leisten. Und Tronjes Schiff jagte weiter heran.
»Ich glaube, daß es Erickson und dir gar nicht um Gerechtigkeit geht«, fuhr er fort. »Ihr wollt nur den Ruhm für euch. Ihr wollt es sein, die die neue Welt entdeckt haben.« Lars kniff die Augen zusammen, aber er antwortete nicht, und Hellmark sprach in ruhigem Ton weiter. » Wir sprachen gerade über die Götter. Glaubst du wirklich, sie ließen es zu?«
Lars lachte nervös. »Es interessiert sie wohl kaum, ob ein Menschenschinder wie du lebt oder nicht, Hellmark«, sagte er.
»Leg dein Schwert ab und ergib dich, und ich garantiere für dein Leben.«
Es waren die letzten Worte, die er sprach. Ein gewaltiger Schatten legte sich zwischen ihn und Hellmark. Er sah auf, stieß einen keuchenden Laut aus und hob instinktiv die Arme, als er den geschnitzten Drachenkopf über sich aufragen sah. Dann bohrten sich die beiden Schiffe mit einem ungeheuren Krachen und Knirschen ineinander. Der Schlag war gewaltig genug, um Hellmark, Lars, Tjelsund und jeden an Bord von den Füßen zu reißen, aber Hellmark sprang sofort wieder auf, und das Schwert schien wie von selbst in seine Hand zu fliegen. Tjelsund kam ihm um eine Winzigkeit zuvor.
Mit einem gellenden Wutschrei stürzte er sich auf Lars, ließ seine Klinge heruntersausen und strauchelte, als der andere den Hieb im letzten Moment parierte und gleichzeitig nach seinem Knie trat. Er fand sein Gleichgewicht wieder, aber die winzige Zeitspanne, die er verloren hatte, hatte seinem Gegner gereicht.
Er sprang auf, trieb ihn mit drei, vier raschen Schlägen vor sich her und holte zu einem gewaltigen, beidhändig geführten Hieb aus. Tjelsund riß seine Waffe schützend in die Höhe, aber Lars’
Kraft hatte er nichts entgegenzusetzen. Seine Klinge zersplitterte wie Glas, und Lars’ Schwert zerschlug auch noch seinen ledernen Brustharnisch und drang tief in seine Brust.
Lars überlebte sein Opfer nicht einmal um einen Atemzug.
Hellmark sprang hinter ihn, rammte ihm den Schwertknauf in die Nieren und wirbelte blitzschnell um die eigene Achse, als Lars mit einem keuchenden Schmerzenslaut in die Knie brach.
Seine Hände umklammerten den lederbezogenen Griff der Waffe, und in dem Hieb, den er führte, lag die ganze Kraft der Drehung. Die Klinge durchbrach mühelos Lars’ Brustharnisch. Der Wikinger taumelte, drehte sich halb herum und starrte ihn mit ungläubig aufgerissenen Augen an. Er wollte etwas sagen, aber aus seinem Mund kamen keine Worte. Dann kippte er lautlos nach hinten und fiel über Bord. Das Meer schäumte einen Moment und war dann wieder still.
Hellmark sah sich kampfbereit um. Der Bug von Tronjes Boot hatte sich in die Reling seines eigenen Schiffes gebohrt und Rumpf und Planken schwer beschädigt. Hellmark sah auf den ersten Blick, daß es sinken würde. Sehr schnell sogar. Aber an Bord fand kein Kampf statt. Ein paar seiner Männer hatten Waffen und Schilde ergriffen, aber die Übermacht war erdrückend. Es wäre Selbstmord, zu kämpfen.
»Erickson!« schrie Hellmark mit vollem Stimmaufwand.
»Komm her und zeige dich, du Feigling! Wenn du gegen mich kämpfen willst, dann tue es, und verstecke dich nicht wie ein feiges Weib hinter den Rücken deiner Männer.«
Seine Stimme mußte weit über das Meer zu hören sein, doch Erickson reagierte nicht. Sein Boot schwenkte in weitem Bogen herum und legte sich auf der anderen Seite des Schiffes längsseits, aber der Pfeilhagel, auf den Hellmark halbwegs gewartet
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