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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schiffes hielten.
    Becker und ich stürmten im gleichen Augenblick los, aber er erreichte das Schiff zwei Schritte vor mir. Mit einer unglaublich kraftvollen Bewegung schwang er sich über die niedrige Reling, zog ein Taschenmesser hervor und begann an den Stricken herumzusäbeln, die Crandells Oberarme hielten.
    Gleichzeitig zerrte ich mit fliegenden Fingern an den Knoten um seine Beine. Ich hatte das Gefühl, daß dieses Schiff nicht alles war, was uns an unangenehmen Überraschungen erwartete; längst nicht alles.
    Und ich sollte recht behalten. Ich war eine Sekunde vor Becker fertig und fand gerade noch Zeit, Crandells Knie mit den Armen zu umklammern, als er das Seil mit seinem Taschenmesser kappte und Crandell seufzend in meine Arme sank.
    Er war schwerer, als ich erwartet hatte. Ich verlor auf dem lockeren Sand die Balance und fiel hintenüber, Crandell halbwegs mit mir reißend. Aber trotzdem sah ich, wie das Unglück geschah:
    Das Seil war so plötzlich gerissen, daß auch Becker für einen Moment das Gleichgewicht verlor. Er fing sich zwar fast sofort wieder, doch die Klinge seines eigenen Taschenmessers fuhr über seinen Handrücken und fügte ihm einen tiefen, blutenden Schnitt zu. Einige wenige Tropfen seines Blutes fielen auf das Deck herab.
    Und im gleichen Moment wußte ich, was ich vergessen hatte …
    Hinter Becker erwachten die Schatten.
    Die dunklen Umrisse, die ich schon vorhin zu bemerken geglaubt hatte, waren plötzlich keine vagen Schemen mehr, keine wogenden Trugbilder, die der Nebel geschaffen hatte, sondern Körper, ein Dutzend große, in Fetzen gehüllte Körper mit mörderischen Schwertern und Äxten in den Händen! Aber es waren keine Menschen …
    Unter den gewaltigen, rostzerfressenen Hörnerhelmen auf ihren Köpfen grinsten schwarze, lederhäutige Totenköpfe hervor. Die Schwerter und Äxte, die sie trugen, waren von Rost und Salzwasser zerfressen und zum Teil kaum mehr als solche zu erkennen, der Verwesungsgestank, den sie verströmten, drang bis zu mir herunter.
    Ich wälzte Crandell von mir hinunter, schrie Becker eine Warnung zu und sprang gleichzeitig auf die Füße. Becker wirbelte herum, erkannte die Gefahr und brachte sich im letzten Augenblick mit einem fast grotesk aussehenden Hüpfer in Sicherheit, als eines der schartigen Schwerter der toten Krieger auf ihn heruntersauste. Die Klinge fuhr knirschend in das morsche Holz neben Jake, aber er reagierte mit erstaunlicher Kaltblütigkeit: Statt weiter zurückzuweichen, was ihn nur in die Reichweite eines anderen Wikingers gebracht hätte
    ,, packte er den Arm des Angreifers, verdrehte ihn und entrang ihm mit einer kraftvollen Bewegung das Schwert.
    Fassungslos beobachtete ich, wie er die Waffe so selbstverständlich schwang, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan, und den Zombie mit einem einzigen, blitzartigen Hieb niederstreckte. Dann fuhr er herum und sprang zu Crandell und mir herab.

    Aber nicht nur er. Fast ein Dutzend der entsetzlichen Kreaturen sprang ihm über die niedrige Bordwand nach und lief auf uns zu!
    Becker raste los, verlor auf dem feuchten Sand den Halt und fiel auf die Knie, raffte sich aber sofort wieder auf und begann den Strand hinaufzuhetzen, und ich selbst packte Crandell und riß ihn mit der Kraft der Verzweiflung in die Höhe.
    Wir schafften es nicht. Die Untoten bewegten sich nicht annähernd so schnell wie wir, aber einer der Wikinger hob seine Axt, stieß ein markerschütterndes Brüllen aus und schleuderte die Waffe. Sie beschrieb einen perfekten Halbkreis und traf mit entsetzlicher Präzision den fliehenden Becker. Ich sah, wie der fast armdicke Stiel ihn genau zwischen den Schulterblättern traf und ihn nach vorne riß.
    Er stolperte, ließ das erbeutete Schwert fallen und prallte hilflos gegen den Kotflügel des Dodge.
    Ich zerrte Crandell einfach mit mir und verdoppelte meine Anstrengungen, die flache Düne zur Straße hinaufzukom-men, aber der lockere Sand gab immer wieder unter meinen Füßen nach, so daß ich für jeden Schritt, den ich vorwärts machte, einen zurückzurutschen schien. Gottlob wurden meine Verfolger auf die gleiche Weise behindert, wie ich mit einem raschen Blick über die Schulter feststellte.
    Trotzdem wurde es zu einem Wettlauf mit dem Tod, von dem ich bis zum letzten Augenblick nicht wußte, ob wir ihn gewinnen würden. Irgendwie erreichte ich den Dodge, warf Crandell regelrecht in den Wagen und bückte mich dann zu Becker. Er war bei Bewußtsein, schien aber

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