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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wäre. Mühsam fand ich mein Gleichgewicht wieder und packte die Waffe fester.

    Die Mumie war zwei, drei Schritte zurückgewichen. In ihre leeren Augenhöhlen war ein rötlicher, unheimlicher Schimmer getreten. Es sah aus, als wären sie mit Blut gefüllt. Aber sie griff nicht wieder an.
    Ihr Blick saugte sich an der Waffe in meinen Händen fest.
    Schritt für Schritt wich sie zurück, bis sie gegen den Rand des Drachenbootes stieß. Ich folgte ihr. Jeder einzelne Muskel in meinem Körper war angespannt.
    »Seien sie vorsichtig, Robert«, sagte Jake keuchend. »Der Kerl hat Kräfte wie ein Bär.« Ich nickte, ohne den Wikinger aus den Augen zu lassen. Der Untote schob sich langsam an dem Boot entlang, bis er zwischen mir und Jake war. Sein Gesicht zuckte; es sah aus, als wolle er sprechen.
    Und es sah nicht nur so aus … Ich spürte, wie sich jedes einzelne Haar an meinem Körper aufstellte, als sich die fleischlosen Lippen des Totenkopfgesichts bewegten. Der Wikinger öffnete den Mund. Ein krächzender, unmenschlicher Laut kam über seine Lippen. Seine gewaltige Gestalt straffte sich.
    Ich umklammerte das Schwert instinktiv fester. Ich wußte, daß mein erster Angriff den Riesen nur überrascht hatte.
    Selbst mit nur einem Arm und ohne Waffen war der Mumienkrieger ein Gegner, mit dem ich kaum fertig werden konnte.
    Und dann stürmte er vor.
    Die Bewegung war so schnell, daß meine Gegenwehr viel zu spät kam. Ich hatte das Schwert nicht einmal halb erhoben, als der Riese auch schon heran war und mit der Faust nach mir hieb.
    Der Schlag traf mich an der Schläfe und schleuderte mich zu Boden. Ich fiel, versuchte mich abzurollen und sank halb benommen zurück.
    Verzweifelt drängte ich die schwarze Bewußtlosigkeit zu-rück, die wie eine erstickende Welle über mir zusammen-schlagen wollte, setzte mich auf und tastete nach dem Schwert. Es lag einen halben Meter neben mir, aber ich griff nicht danach.
    Ich brauchte die Waffe nicht mehr.
    Ungläubig blickte ich mich in der riesigen Halle um: Der Mumienkrieger war nirgends mehr zu sehen.

    »Nicht bewegen«, sagte ich warnend. »Auch wenn es weh tut.«
    Jake nickte, blinzelte nervös zu mir hoch und biß die Zähne zusammen. Trotzdem konnte er einen Schmerzenslaut nicht vollends unterdrücken, als ich mit spitzen Fingern die Glasscherbe ergriff und mit einem harten Ruck aus seinem Oberschenkel zog. Der Stoff seiner Hose begann sich sofort dunkel zu färben.
    »Das war die Schlimmste«, sagte ich, was eine glatte Lüge war; Jakes Bein war mit Glasscherben nur so gespickt, aber keine der Wunden war wirklich gefährlich. Jedenfalls hoffte ich es. Ich zog ein Taschentuch hervor, faltete es zusammen und preßte es auf die Wunde.
    »Halten Sie das fest, Jake«, sagte ich. »Ich telefoniere nach einem Arzt.«
    »Kümmern Sie sich lieber um Havilland«, preßte Jake hervor. »Ich komme schon klar.«
    Ich sah ihn zweifelnd an, stand dann aber doch auf und ging zu Havilland hinüber, der zusammengesunken auf den Trümmern des Wikingerbootes hockte und ins Leere starrte.
    Er hatte sich die ganze Zeit über nicht bewegt. Nicht einmal, während Jake und ich um unser Leben kämpften.
    Und er reagierte auch jetzt nicht, als ich neben ihm nieder-kniete und die Hand auf seine Schulter legte. Seine Augen waren offen, aber er schien mich nicht wahrzunehmen.
    Ich winkte Crandell herbei und betrachtete auch ihn einen Moment lang sehr eindringlich. »Alles wieder in Ordnung?«
    fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf und sagte: »Sicher … alles in schönster Ordnung.«
    »Gehen Sie zum Telefon«, bat ich ihn. »Rufen Sie einen Arzt an. Und die Polizei.«
    »Es gibt hier keinen Arzt«, antwortete Crandell. »Und auch keine Polizei. Die nächste Station ist zehn Meilen entfernt.«
    »Versuchen Sie es trotzdem«, sagte ich. »Bitte.«
    Crandell zögerte noch einmal, aber dann stand er gehorsam auf und schlurfte mit hängenden Schultern zum Telefon. Es ging mir gar nicht darum, daß er wirklich anrief, die Polizei konnte uns hier ebensowenig helfen wie die Schweizer Nationalgarde; ganz davon abgesehen, daß sie kein Wort glauben würde. Aber ich wollte Crandell beschäftigen. Er mußte irgend etwas tun, ehe er Zeit fand nachzudenken und vielleicht völlig ausrastete.
    Ich überzeugte mich davon, daß der Professor nicht verletzt war, dann ging ich zu Becker zurück.
    Er lag noch immer so da, wie ich ihn zurückgelassen hatte, aber die zahllosen Schnittwunden in seinem Bein und seinen Schultern

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