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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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    »Sie … Sie sind doch ein Magier, oder?« fragte Crandell plötzlich. »Ich meine, der Professor hat so etwas gesagt, und
    … und …«
    »Und Sie glauben, ich könnte ihn einfach wegzaubern?«
    Gegen meinen Willen mußte ich lächeln, als ich den Kopf schüttelte. »Nein, Hendrick, ich fürchte, dazu reichen meine Kräfte nicht aus. Aber wir kommen hier schon raus, keine Sorge. Gibt es noch ein zweites Telefon im Haus?«
    »Ich … glaube«, antwortete Crandell. »Irgendwo oben.«
    »Gut. Dann versuche ich mein Glück dort.« Ich drehte mich um, zögerte, nahm dann das verrottete Schwert auf, mit dem ich den Wikinger in die Flucht geschlagen hatte, und hielt es Crandell hin. »Nehmen Sie es. Aus irgendeinem Grund kann ihn diese Waffe verletzen.«
    Crandell erbleichte. »Sie glauben, er … er kommt wieder?«
    fragte er.
    »Kaum«, sagte ich rasch. »Aber sicher ist sicher. Können Sie damit umgehen?«
    »Mit einem Schwert?« Crandell schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht einmal, an welchem Ende man es anfaßt.«
    »Dann wollen wir hoffen, daß unser Freund das nicht weiß«, sagte ich scherzhaft. Ich lächelte mit einem Optimis-mus, den ich ganz und gar nicht empfand, drehte mich herum und ging auf die Marmortreppe zu. Mein Blick wanderte nervös durch den großen Raum. Das Ungeheuer war noch da, irgendwo hier im Haus; ich spürte seine Nähe wie einen üblen Geruch, der sich in den Wänden eingenistet hatte.
    Es war hier, und es wartete auf mich. Es lag mir nicht wirklich daran, das Telefon zu finden, denn ich war hundertprozentig sicher, daß es ebenso tot sein würde wie der Apparat in der Halle. Aber irgend etwas mußte ich unternehmen. Der Gedanke, tatenlos herumzustehen und darauf zu warten, daß das Monster zurückkam und zu Ende brachte, was es angefangen hatte, war mir unerträglich. Vielleicht fand sich unter Havillands Fundstücken etwas, was ich als Waffe gegen den Krieger einsetzen konnte.
    Das Haus war unheimlich still, so ruhig, daß ich das Hämmern meines eigenen Herzens hörte und mir für einen Moment fast einbildete, das Geräusch müsse bis unter den Dachboden zu hören sein. Unschlüssig verharrte ich kurz am Fuß der Treppe und begann dann langsam die Stufen hinauf-zusteigen.
    Das Gefühl der Bedrohung, das ich die ganze Zeit über gespürt hatte, verstärkte sich mit jedem Schritt. Für einen Moment bedauerte ich es, das Schwert nicht mitgenommen zu haben. Der Zombie war noch irgendwo hier im Haus, und wenn er mich allein und ohne Waffe überraschte …
    Ich vertrieb den Gedanken mit einem ärgerlichen Kopfschütteln und ging schneller. Mit Gewalt hatte ich ohnehin keine Chance gegen dieses Ungeheuer, so oder so.
    Schon hinter der ersten Tür, die ich öffnete, hatte ich Erfolg. Der Raum dahinter war klein und bis zum Bersten vollgestopft mit Bücherregalen und Kisten voller archäologischer Gerätschaften und Aufzeichnungen, aber auf dem mit Papier überhäuften Schreibtisch stand ein Telefon. Ich schloß die Tür hinter mir, ging zum Tisch hinüber und nahm den Hörer ab, eigentlich wider besseres Wissen.
    Auch dieser Apparat war tot. Ich starrte den Hörer einen Herzschlag lang vorwurfsvoll an, ehe ich ihn langsam wieder auf die Gabel sinken ließ. Nun ja, einen Versuch war es wert gewesen.
    Unschlüssig sah ich mich um. Im Zimmer herrschte ein Chaos, in dem sich wohl nur der zurechtfand, der es verursacht hatte. Hier und da lagen einzelne Fundstücke, größten-teils irgendwelche Gerätschaften, deren Zweck ich nicht zu erraten imstande war, aber auch Waffen, erstaunlich viele Waffen sogar. Ich wußte ja, daß die Wikinger nicht unbedingt zu den friedliebendsten Völkern gehört hatten, aber das hier war das reinste Gruselkabinett. An einer der Seitenwände war ein halbes Dutzend runder Metallschilde aufge-reiht, daneben lagen Schwerter und Äxte. Und die meisten waren in wesentlich besserem Zustand als die, die unten ausgestellt waren. Offenbar war dies hier Havillands Ar-beitsraum, und wahrscheinlich lag auch hier irgendwo die Lösung des Rätsels verborgen.
    Aber danach zu suchen war vollkommen sinnlos. Trotzdem verließ ich das Zimmer nicht sofort, sondern ging neugierig zu einem deckenhohen Regal neben dem Fenster hinüber. Es war vollgestopft mit Funden aus den Wikinger-gräbern: Helme, metallene Krüge und Schmuck.
    Eines der Stücke erregte meine besondere Aufmerksamkeit. Es war eine kleine Scheibe aus Kupfer, nicht größer als meine Handfläche. Es befanden sich

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