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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Handbewegung. »Ich meine es ernst. Wenn Erickson tot und Aztlan vernichtet ist, gibt es für mich und meine Männer hier nichts mehr zu tun. Wir können nicht in diesem Land leben.
    Und wir wollen es auch nicht.«
    »Dann fahrt nach Hause.«
    »Nach Hause?« Lasse lächelte traurig. »Wo ist das, zu Hause?« fragte er. »Ich war ein halbes Menschenalter lang fort.

Alle, die ich gekannt habe, sind sicher längst tot. Nein, wir werden uns ein anderes Land suchen, andere Abenteuer …
    Warum nimmst du uns nicht mit in das Land, das fantastischer als Asgard sein soll?«
    »Weil es nicht geht, Lasse Rotbart«, antwortete ich.
    »Dann sag mir wenigstens, wo es liegt. Hinter dem Welt-meer?«
    Ich machte eine ausweichende Handbewegung und wollte irgend etwas sagen, nur um das Thema zu wechseln, aber plötzlich ertrug ich den Gedanken nicht mehr, Lasse zu belügen. Zögernd sagte ich: »Nein, Lasse, nicht dort. Würdest
    … würdest du mir glauben, wenn ich dir sage, daß ich aus der Zukunft komme?«
    »Der Zukunft? Der Zeit, die noch nicht ist?«
    »Für mich schon«, antwortete ich. »Für mich ist eure Zeit die, die schon war.«
    So verwirrend diese Antwort klingen mochte, Lasse Rotbart schien sie auszureichen, denn er fragte nichts weiter, sondern schwieg lange und deutete schließlich in den anderen Teil der Höhle, wo Setchatuatuan und die anderen Stammesführer zusammensaßen.
    »Sie beraten noch immer«, sagte er. »Aber ich weiß, wie sie entscheiden werden. Sie werden Aztlan angreifen.«
    Ich nickte düster, und Lasse Rotbart lachte; ein leiser, kehli-ger Laut, der mich schaudern ließ. »Aber das weißt du ja sicher«, sagte er. »Und du weißt auch, wie dieser Angriff ausgehen wird. Sag mir, Robert aus der Zukunft, werden wir Aztlan vernichten, oder werden wir alle bei dem Versuch sterben?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich, und das war die Wahrheit. »Niemand weiß in meiner Zeit noch von Aztlan, Lasse Rotbart.«
    »Dann haben wir es zerstört.«
    »Und niemand weiß mehr vom Volk der Olmeken«, fügte ich hinzu.
    Lasse sah mich betroffen an, und ich fügte rasch hinzu:
    »Aber das bedeutet nichts. Völker kommen und gehen. Auch das Volk der Wikinger existiert nicht mehr in meiner Zeit, so wenig wie die, die nach ihm kamen. Und so wenig wie mein Volk ewig existieren wird.«
    »Und trotzdem hast du Angst davor, Aztlan anzugreifen«, sagte Lasse. »Warum?«
    Ich suchte einen Moment vergeblich nach einer überzeugen-den Antwort. Wie sollte ich etwas in Worte fassen, das ich nicht einmal in Gedanken klar formulieren konnte? »Weil ich
    … Städte wie Aztlan kenne«, sagte ich schließlich. »Orte, die von den Alten errichtet worden sind. Wenn Aztlan das ist, was ich befürchte, Lasse, dann wurde es nicht von Menschen gebaut.«
    »Und dann können Menschen es auch nicht zerstören«, fügte Lasse hinzu. Ich wollte antworten, aber in diesem Moment bewegte sich Leif Erickson. Mühsam setzte er sich auf und sah erst Lasse Rotbart, dann mich an. »Menschen nicht«, sagte er.
    »Aber ich.«
    Lasse Rotbart schien nicht im mindesten überrascht zu sein, Erickson wach und bei Bewußtsein zu sehen, und ich begriff, daß der Wikingerfürst keineswegs erst in diesem Moment aufgewacht war, sondern schon eine geraume Weile zugehört haben mußte.
    »Was soll das heißen?« fragte ich. »Bist du kein Mensch?«
    Die Worte hatten spöttisch klingen sollen, aber in meiner Stimme war ein erschrockenes Zittern, das mir den Effekt gründlich verdarb.
    Erickson blieb ernst. »Doch«, antwortete er. »Aber ich kenne die Mächte, die Aztlan beherrschen. Und ich weiß ihrer Herr zu werden. Wenigstens so weit, daß ich uns vor ihnen schützen kann.«
    Ich warf einen verwirrten Blick auf Lasse, aber auf dem Gesicht des Wikingers war nicht die mindeste Regung abzule-sen.
    »Dann ist Aztlan,«
    »Das, was du glaubst«, sagte Erickson. »Und gleichzeitig etwas vollkommen anderes. Die Mächte, die es erschufen, sind noch da, Robert aus Britannien. Und sie sind tausendmal schrecklicher, als du dir vorzustellen vermagst. Aber ich weiß, wie man sie vernichten kann.«
    Lasse lachte böse. »Und du wirst es tun, wie?« fragte er abfällig. »Und warum hast du es bisher nicht getan?«
    »Weil es mein eigenes Leben kosten wird«, antwortete Leif Erickson ruhig.
    »Oh, und ich soll dir glauben, daß du dieses Opfer zu bringen bereit bist?«
    Lasse schnitt Erickson mit einer wütenden Handbewegung das Wort ab, als er widersprechen wollte.

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