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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zusammenzuckte und Schritt für Schritt vor seinem Gegner zurückwich. Sein Schild war längst zerbeult, das Schwert dicht über dem Heft abgebrochen und nutzlos. Der Kampf konnte nur noch wenige Augenblicke dauern.
    Ich rannte los und erreichte Lasse Rotbart im gleichen Moment, in dem er sein Schwert zum letzten Streich hob. Leif Erickson war gestürzt, das Schild war zerbrochen und von seinem Arm geglitten, und das Gesicht des Wikingers war vor Schmerz und Erschöpfung zu einer Grimasse verzerrt.
    »Stirb, du Verräter!« schrie Lasse. »Das ist für Hellmark,
    und für alle, die sterben mußten!«
    Ich warf mich mit einer verzweifelten Bewegung vor und fiel ihm in den Arm. Meine Kraft reichte kaum aus, den Schlag abzufangen. Lasses Klinge fuhr scharrend über den goldenen Brustpanzer Leif Ericksons und hinterließ eine lange, gezackte Scharte darin.
    Der Wikinger knurrte wütend, fuhr herum und schüttelte mich mit einer fast beiläufigen Bewegung ab. »Kerl!« zischte er. »Bist du von Sinnen?«
    »Nein«, antwortete ich. »Das bin ich ganz und gar nicht.
    Aber du darfst ihn nicht töten!«
    Leif Erickson regte sich stöhnend. Seine Hand fuhr über den Boden, als würde er etwas suchen, und sein Blick bohrte sich für eine endlose Sekunde in den meinen.
    »Laß ihn«, sagte er leise. »Ich weiß nicht, wer du bist und wer dich geschickt hat, aber ich danke dir, daß du gekommen bist. Lasse hat recht, wenn er mich töten will.«
    »Es ist schon zuviel Blut geflossen«, gab ich zornig zurück.
    Mit einer entschlossenen Bewegung stellte ich mich schützend zwischen Lasse Rotbart und Erickson. »Töte ihn nicht«, sagte ich noch einmal. »Ich bitte dich, Lasse, tu es nicht.«
    »Er hat den Tod verdient!« widersprach Lasse aufgebracht.
    Wütend wollte er mich aus dem Weg schieben, aber ich blieb unbeirrt stehen.
    »Vielleicht hast du recht«, sagte ich, »von deinem Standpunkt aus. Aber wir brauchen ihn, Lasse.«
    Auf dem Gesicht des Wikingers erschien ein Ausdruck der Verblüffung. »Wir brauchen ihn?« wiederholte er. »Wozu?
    Wozu sollten wir einen Verräter und Mörder wie ihn brauchen?«
    »Er war nicht der wahre Schuldige«, sagte ich. »Er war im Grunde nur ein Werkzeug, mehr nicht. Der wahre Schuldige ist noch am Leben, Lasse. Und wir werden all unsere Kräfte brauchen, um ihn zu besiegen. Unsere und Leif Ericksons.«
    Lasse zögerte. Sein Gesicht zuckte nervös. »Wozu, redest du?« fragte er. Aber die Antwort auf seine eigene Frage stand in seinen Augen geschrieben. »Du meinst Aztlan«, sagte er leise.
    »Aztlan und die, die über die Stadt herrschen, ja.«
    Lasses Miene verfinsterte sich noch weiter. Das Schwert in seiner Hand zitterte. Aber ich spürte, daß ich gewonnen hatte; wenigstens für den Moment. Ich war nicht der einzige hier, der die Anwesenheit einer dritten, fürchterlichen Macht fühlte; einer Macht, die wie ein unsichtbarer mörderischer Schatten hinter Leif Erickson und seinen Olmeken stand.
    Hinter mir erscholl ein halblautes, wehleidiges Maunzen. Ich überzeugte mich mit einem letzten Blick davon, daß Lasse nun wirklich zur Vernunft gekommen war, dann drehte ich mich herum.
    Der Jaguar erhob sich wimmernd zwischen den Felsen, zwischen die ihn Quetzalcoatls Schwingenhieb geschleudert hatte.
    Erschrocken ging ich auf den verwundeten Jaguar zu und kniete neben ihm nieder. Das Tier hob mühsam den Kopf und sah zu mir auf. Seine flache, hundeähnliche Schnauze war blutig und zerschlagen, sein Fell struppig und über und über mit Blut beschmiert, und als er sich bewegte, sah ich, daß er eine Vorderpfote anzog. Aber er lebte, und keine seiner Wunden schien wirklich gefährlich zu sein. Ich streichelte ihm behutsam den Kopf.
    »Es tut mir ja leid«, sagte ich, »aber wir können noch nicht ausruhen.« Ich wies mit einer Kopfbewegung zum Waldrand.

    Quetzalcoatl war tot, aber er war nur ein Werkzeug gewesen, eine schreckliche, lebende Waffe, aber letztendlich nichts anderes als Leif Erickson: eine Marionette der wirklichen Macht, die dieses Land beherrschte.
    Der Jaguar sah mich an, und für einen winzigen Moment glaubte ich in seinen Augen so etwas wie Verständnis aufblitzen zu sehen. Er hob den Kopf, rieb ihn an meiner Schulter und leckte mit seiner rauhen Zunge meine Hand, als wollte er mich trösten.
    Nein, mit dem Tod dieser Bestie war meine Aufgabe noch lange nicht erfüllt, und wenn ich daran dachte, was sonst noch alles auf mich zukommen mochte, schauderte mich.
    Langsam richtete ich

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