Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
Vom Netzwerk:
auf, als sie das Bild aus Patientenzimmer zwei sah. Bernie Larsson hing leblos an der Tür zum Aufenthaltsraum. Von seinen Zehen tropfte Urin in die Lache unter ihm.
    Nach seiner kurzen Besprechung mit dem Präsidium der Krankenhausleitung ist ihm nicht wohl in seiner Haut. Aus Anlass des Selbstmords im Sicherheitstrakt hatte man ihn zu einer Krisensitzung gerufen. Der Krankenhausdirektor kam direkt von einem Kindergeburtstag und war wütend, weil er das Angelspiel mit den Kindern abbrechen musste. Der Direktor hatte ihn angesehen und gesagt, es sei vielleicht ein Fehler gewesen, einem unerfahrenen Arzt die Verantwortung eines Oberarztes zu übertragen. Das runde Gesicht mit der tiefen Kerbe im Kinn hatte gezittert.
    Anders schluckt und errötet, als er daran zurückdenkt, dass er aufstand, sich entschuldigte und stammelnd zu erklären versuchte, Bernie Larsson habe laut Krankenblatt an schweren Depressionen gelitten und die Umstellung durch den Klinikwechsel sei ihm schwergefallen.
    »Du bist noch da?«
    Er zuckt zusammen und sieht, dass My in der Tür steht und ihn müde anlächelt.
    »Die Krankenhausleitung will den Bericht morgen früh auf dem Tisch haben, du wirst mich also noch ein paar Stunden ertragen müssen.«
    »Das ist hart«, sagt sie und gähnt.
    »Wenn du willst, kannst du dich ruhig etwas hinlegen«, sagt er.
    »Ach, es geht schon.«
    »Ich meine es ernst, ich bin ja sowieso hier.«
    »Echt? Das ist wirklich nett von dir.«
    Er lächelt sie an.
    »Schlaf ein paar Stunden. Ich wecke dich, bevor ich abhaue.«
    Anders hört sie am Umkleideraum vorbei in das Übernachtungszimmer gehen.
    Anders Rönns kleines Büro wird vom Licht des Computerbildschirms erhellt. Er geht in den Kalender und trägt ein paar neu hinzugekommene Gesprächstermine mit Angehörigen und Betreuern ein.
    Seine Finger verharren reglos auf der Tastatur, als er wieder an die neue Patientin denken muss. Er hat das Gefühl, in diesem einen Augenblick gefangen zu sein, in den Sekunden, als er in ihrem Zimmer war, ihr Hose und Slip herunterzog und die weiße Haut als Folge der beiden Nadelstiche erröten sah. Er hatte sie wie ein Arzt berührt, zwischen ihren Schenkeln aber ihr Geschlecht, die blonden Haare und den geschlossenen Spalt betrachtet. Anders Rönn notiert eine Terminänderung, klickt ältere Auswertungen an, kann sich aber nicht konzentrieren.
    Er liest einen Bericht für das Sozialamt, steht anschließend auf und geht zur Überwachungszentrale.
    Als er sich vor den großen Monitor setzt, um den Blick über die neun Einzelbilder schweifen zu lassen, sieht er sofort, dass Saga Bauer wach ist. Die in die Wand eingelassene Lampe an ihrem Bett ist eingeschaltet. Sie bewegt sich nicht und blickt unverwandt in die Kamera.
    Seltsam berührt studiert Anders die anderen Bilder. Die Patientenzimmer eins und zwei sind dunkel. In Schleuse und Aufenthaltsraum herrscht Ruhe. Die Kamera vor dem Zimmer, in dem My sich ausruht, registriert lediglich eine geschlossene Tür. Das Personal des Sicherheitsdienstes hält sich hinter der ersten Sicherheitstür auf.
    Anders klickt Patientenzimmer drei an, und im nächsten Moment nimmt das Bild den gesamten zweiten Monitor ein. Die Deckenlampe der Überwachungszentrale spiegelt sich in dem staubigen Bildschirm. Er rückt mit dem Stuhl näher heran. Saga sitzt immer noch da und richtet den Blick auf ihn.
    Er fragt sich, was sie will.
    Ihr helles Gesicht leuchtet, und ihr Hals ist gestreckt.
    Sie massiert ihren Nacken mit der rechten Hand, steht vom Bett auf, geht ein paar Schritte und starrt weiter in die Kamera.
    Anders klickt das Bild weg, steht auf und wirft einen Blick auf die Wärter und die geschlossene Tür zum Übernachtungszimmer.
    Er geht zur Sicherheitstür, zieht seine Zugangskarte durch das Lesegerät und betritt den Flur. Die Nachtbeleuchtung taucht alles in ein trübes graues Licht. Die drei Türen der Zimmer schimmern schwach wie Blei. Er geht zu ihrer Tür und schaut durch das Panzerglas. Saga steht mitten im Zimmer, sieht aber zur Tür, als er die kleine Luke öffnet.
    Das Licht der Bettlampe scheint von hinten zwischen ihren Beinen hindurch.
    »Ich kann nicht schlafen«, sagt sie mit großen dunklen Augen.
    »Haben Sie etwa Angst im Dunkeln?«, erwidert er lächelnd.
    »Ich brauche zehn Milligramm Stesolid, die habe ich in Karsudden auch immer bekommen.«
    Er sieht, dass sie leibhaftig noch schöner und zierlicher ist. Sie bewegt sich seltsam bewusst, mit einer Sicherheit im Körper,

Weitere Kostenlose Bücher