Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
Handgelenk und zurrt ihn fest.
Der junge Arzt wischt sich mit dem Handrücken Blut vom Mund, weicht heftig atmend zwei Schritte zurück und sieht sie an.
157
Langsam kommt der Arzt zu ihr, legt den letzten Gurt über ihren Brustkorb und zieht ihn fest. Nach den verzweifelten Schlägen brennt ihre linke Hand. Er bleibt einen Moment stehen, starrt sie wieder an, geht anschließend um das Bett herum und stellt sich ans Fußende. Blut läuft aus seiner Nase und über die Lippen. Sie hört seine keuchenden, erregten Atemzüge. In aller Ruhe spannt er die Gurte um die Fußknöchel noch etwas fester, um ihre Schenkel so noch etwas weiter zu spreizen. Sie sieht ihm in die Augen und denkt, dass sie das nicht zulassen darf.
Mit zitternden Händen streichelt er ihre Waden und starrt zwischen ihre Schenkel.
»Tu das nicht«, versucht sie, mit gefasster Stimme zu sagen.
»Du bist still«, sagt er und zieht seinen Arztkittel aus, ohne sie aus den Augen zu lassen. Saga dreht das Gesicht zur Seite, will ihn nicht ansehen und kann nicht fassen, dass dies wirklich geschieht.
Sie schließt die Augen und sucht verzweifelt nach einem Ausweg.
Plötzlich hört sie unter ihrem Bett ein seltsames Scharren. Sie öffnet die Augen und sieht, dass sich im Stahl des Waschbeckens eine Bewegung spiegelt.
»Du solltest jetzt gehen«, sagt sie keuchend.
Der Arzt nimmt ihren Slip vom Bett und presst ihn ihr unsanft in den Mund. Als sie begreift, was sie im blanken Metall des Waschbeckens sieht, versucht sie zu schreien.
Es ist Jurek Walter.
Er muss sich in ihrem Zimmer versteckt haben, als sie nach Bernies Schlaftabletten suchte.
Mit wachsender Panik kämpft sie darum, sich zu befreien.
Sie hört die Knöpfe von Jurek Walters Hemd über den Lattenrost klappern, als er sich seitlich bewegt.
Ein Knopf geht ab und kullert auf den Fußboden. Der Arzt betrachtet erstaunt den Knopf, der einen großen Bogen beschreibt und dann auf der Stelle kreiselnd liegen bleibt.
»Jurek«, murmelt der Arzt, und im selben Moment packt eine Hand sein Bein und reißt ihn um.
Anders Rönn fällt hilflos hin, schlägt mit dem Hinterkopf auf den Boden und stöhnt, dreht sich dann jedoch auf den Bauch, tritt aus und kriecht weg.
Flieh, denkt Saga. Schließ die Tür ab, ruf die Polizei.
Jurek Walter schiebt sich unter dem Bett hervor und steht in dem Moment auf, in dem es auch dem Arzt gelingt, sich wieder aufzurichten. Er versucht, die Tür zu erreichen, aber Jurek Walter ist schneller.
Saga versucht alles, um den Slip auszuspucken, hustet, ringt nach Luft und muss würgen.
Anders Rönn bewegt sich zur Seite, stößt gegen den Plastiktisch, weicht zurück und starrt auf den gealterten Patienten.
»Tu mir nicht weh«, fleht er.
»Nicht?«
»Bitte, ich tue alles, was du willst.«
Jurek Walter nähert sich ihm, und sein faltiges Gesicht ist vollkommen ausdruckslos.
»Ich werde dich töten, mein Junge«, sagt er, »aber vorher wirst du große Schmerzen erleiden.«
Saga schreit durch den dämpfenden Stoff und reißt an den Gurten.
Sie begreift nicht, was passiert ist, warum Jurek Walter sich in ihrem Zimmer versteckt hat, warum er ihren gemeinsamen Plan geändert hat.
Der Plastikstuhl kippt um.
Der Arzt schüttelt den Kopf, weicht zurück und versucht, sich Jurek mit einer Hand vom Leib zu halten.
Seine Augen sind weit aufgerissen.
Schweiß läuft über seine Wangen.
Jurek folgt ihm langsam, packt auf einmal seine Hand und stößt den Arzt zu Boden. Mit ungeheurer Kraft tritt er an der Schulter auf den Arm. Es kracht, und der junge Arzt schreit auf. Mit militärischer Präzision reißt Jurek Walter den Arm in die entgegengesetzte Richtung und dreht ihn herum. Er ist nun vollständig aus dem Gelenk gelöst und hängt nur noch an Muskeln und Haut.
Jurek zieht den Arzt hoch, lehnt ihn gegen die Wand und gibt ihm ein paar Ohrfeigen, damit er nicht das Bewusstsein verliert.
Der lose hängende Arm verfärbt sich durch die inneren Blutungen rasch dunkel.
Saga hustet und bekommt kaum Luft.
Der Arzt weint wie ein müdes Kind.
Saga gelingt es, den Winkel ihres Körpers ein wenig zu verändern und dann so fest an der linken Hand zu ziehen, dass ihr schwarz vor Augen wird, ehe sie auf einmal freikommt.
Sie zieht den Slip aus dem Mund, atmet keuchend und hustet wieder.
»Wir können jetzt nicht ausbrechen – es gab keine Schlaftabletten in Bernies Zimmer«, sagt Saga schnell zu Jurek.
Sie hat schreckliche Schmerzen in der Hand, die sie befreit hat, kann
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