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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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abzugewöhnen. Der letzte Versuch war knapp eine Woche her und hatte drei Tage gehalten.
    Je öfter man es probiert mit dem Aufhören, desto größer ist die Chance, dass es klappt. Im Heftl aus der Apotheke hat sie das gelesen. Zeitvertreib während einer Beschattung. Vor dem Dreißigsten sollte es hinhauen, wegen der Fältchenbildung.
    Hör bloß nicht auf zum Qualmen, hatte der Sandner gemeint. Sonst täte ihr als einziger Charakterfehler bleiben, dass sie gegenüber den verkümmernden Yuccapalmen genau dieselbe sadistische Gesinnung offenbaren würde wie alle anderen.
    Genau genommen lässt sie noch mehr verkümmern, zum Beispiel ihr Privatleben. Das läuft auch unter dem Motto vertrocknende Topfpflanze. Sie würden sich den privaten Schmu der Leut reinziehen, wie Junkies das Methadon, ein Ersatz, der nicht kickt, aber wenigstens etwas. Typischer Spruch vom Sandner.
    Der Chef und seine Weisheiten! Dabei hat der über sein Leben eine Decke geworfen – nur ja nicht darunterschauen. Seine Ex hat was mit dem Staatsanwalt Wenzel am Laufen, seine Tochter ist in Wien, und sonst?
    Das letzte Mal hatte sie halbwegs vernünftigen Sex vor zwei Monaten gehabt, gerade mal wieder Nichtraucherstadium. Paul, klassischer Web-Treffer. Wie das Rote-Kreuz-Los auf der Wiesn, hundertvierundzwanzig, Glück gehabt! Du kannst wählen zwischen dem Schlüsselanhänger in Herzform aus rosa Hartplastik und dem Vierfarbstift. Da gilt der Akt des Gewinnens bereits als Klimax vom Loserwerb, Hauptsache keine Niete.
    Nett war er schon gewesen, der Paul mit seinem Knackarsch, Tiefgang leider von einem Pilcher-Roman, und last not least Klammeraffe mit hoffnungsvollem Hundeblick, um den ein oder anderen Mitleidsfick rauszuschinden. Aber mit ihr nicht mehr – voraussichtlich. Den Bruder von »Nett« kennt ein jeder.
    Das Klo ist leer. Sie geht in eine der Kabinen, setzt sich auf die Schüssel. Tief und hastig inhaliert sie, bläst den Rauch zur Decke. »Bitte im Stehen pinkeln!«, steht da, mit Bleistift auf den Spülkasten gekritzelt. Schenkelklopfer.
    »Wenns schon unbedingt rauchen müssen, benutzens hinterher gefälligst das Raumspray auf der Ablage!«, quäkt eine Stimme aus dem Vorraum. Niemand, den sie kennt.
    »Du mich auch, dumme Trutschn«, murmelt die Wiesner und zertritt die Kippe auf dem Klinkerboden. Charakterfehler. Sie zwingt ihre Gedanken wieder zum Weiß-Fall.
    Die Sache mit dem Heim war eine Idee vom Sandner gewesen, nachdem sie ermittelt hatte, dass der Vater von Dennis schon fünfzehn Jahre tot ist und seine Mutter in der Psychiatrie lebt. Dass er aus München war, hatte sie über die Website der Band erfahren. Zurück am Schreibtisch, sieht sie sich auf Youtube ein »Nachtgoul«-Video an. Antwerpen Live: »Alle Macht dem Fleisch.«
    Der Sandner lauscht erneut einer Stimme aus dem Netz.
    »So«, resümiert der Kare, »du schuldest mir mindestens ein Essen. Wenzel war angemessen angepisst, Ermittlung passt aber natürlich soweit, er will selbstverständlich zeitnah lückenlose Information, Polizeirat ist auch im Bilde, und Presseerklärung ist in der Mache. Morgen früh hätten die Herrschaften gern eine Einsatzbesprechung und eine Pressekonferenz. Acht Uhr dreißig. Ich kümmer mich jetzt um den Fundortbericht, mach der Spusi Druck und der Gerichtsmedizin. Schert sich ja offenbar sonst niemand drum. Am liebsten ess ich italienisch.«
    »Ja, Schatzi, ganz romantisch.« Sandner bringt mit gespitzten Lippen ein schmatzendes Geräusch hervor, bevor er das Handy wieder einschiebt.
    Es schert sich niemand drum, weil das Organisatorische dem Karl Bischoff niemand wegnehmen darf, sonst könnte er auch nicht mehr das Opfer hauptkommissarischer Willkür spielen. Außerdem ist er der Beste. Akribisch, detailverliebt, eben ein Westentaschenbürokrat. Wenn er weniger hart arbeiten tät, müsste er sich zu Hause öfter blicken lassen, und das vermeidet er zurzeit tunlichst.
    Er sollte mit ihm unbedingt über Ebersberg reden.
    Eine Koryphäe in Eheberatung ist der geschiedene Hauptkommissar definitiv nie gewesen, lieber greift er auf Erfahrungswerte zurück, auf eine ganze Agenda von Erfahrungen, die man nicht zweimal machen sollte.
    Über kurz oder lang würde es beim Kare scheppern, und zwar gewaltig. Von seiner Ebersberger Zweitfrau weiß das gesamte Präsidium, einschließlich der Gebäudereiniger, und dass du nicht bei Gewitter auf dem Stahlseil tanzen sollst, das weiß der Sandner. Es hat sich noch keine passende Gelegenheit gefunden,

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