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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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dieses Wissen dem Kare zu vermitteln. Und letzten Endes Hormonschub pur! Einem Vulkan kannst du nicht nebenbei nahelegen, dass ein Ausbruch unpassend käme für die Fauna drum herum. Sei doch vernünftig, auch wenn die Magma drückt. Bei etwas Gewaltigem, Existenziellem, das dir aus jeder Zelle deines Körpers entgegenschreit, brauchst du Argumente nicht mit der Pipette zu dosieren, da musst du mit ihnen zuschlagen können. Da gibt es kein Zögern, kein Wenn und Aber. Schlagen. Den Kopf einschlagen. Der blutige Schädel des Jungen. Ein Hammer wäre die richtige Hausnummer.
    Kulissenumbau, abrupter Szenenwechsel im Hirn.
    Zuhauen, wenn nichts mehr nützt – das allerletzte Argument. Wenn was nichts mehr nützt? Das Reden? Was hatte der Dennis getan oder tun wollen? Warum musste er weg? Oder hätte er nicht wiederkommen sollen?
    Kurz schließt der Sandner die Augen, reibt sich die Nasenwurzel. Aus den Autolautsprechern trällert eine sonore Frauenstimme von verworrenen Gefühlen und Verständnis, unterlegt von treibenden Beats.
    »Wer ist das?«, erkundigt er sich, ohne die Augen zu öffnen.
    »Zweiraumwohnung.« Der Hartinger schlägt im Takt auf das Lenkrad ein. »Soll ich’s wieder ausmachen?«
    Er bekommt keine Antwort. Nur mit dem Kopf wackelt sein Beifahrer. Eine Flasche Wein tät gut dazu passen, zu dem dreckigen Morgen.
    Die Welt hinter dem Hauptbahnhof hat ihren eigenen Charakter. Du könntest dieses Fleckerl betonierte Erde rausreißen und hinter jedem Bahnhof Deutschlands oder wahrscheinlich weltweit implantieren. Es würde sich sofort organisch einfügen. Da gäbe es keine Abstoßreaktion. Jeder Herzchirurg würde vor Neid ins Stethoskop beißen.
    Im Angebot das gleiche lauwarme Futter aus der Mikrowelle, gleiche Rituale. Du solltest generell mit Cola oder Red Bull nachspülen, damit es den Schlund hinunterkriechen kann. Die gleichen Gestalten mit geröteten, hungrigen Augen und fahrigen Bewegungen. Hinterbahnhofsland, Kirmes des Lebens. Wo die Träume abfahren und du hierbleibst, auf dem Abstellgleis, und ihnen nachgreinst.
    Sie waren an Dutzenden Computer- und Kleiderramschgeschäften vorbeigeschlendert. Er hatte nie begreifen können, was den Leuten durch ewiges Gefummel an ihren Computern die Lebensqualität steigern mochte. Sein Laptop muss nach dem Einschalten einfach nur werkeln und Schluss. Ein übertakteter Prozessor sorgt bei ihm nicht für eine Dauererektion.
    Zwischen der Vielzahl an Geschäften mit billigem elektronischem Gelump kommt er sich fremd vor, ein ungebetener Gast beim Treffen einer Geheimloge. Zwischendrin Sexshops, fleischige Inseln für den schnellen Triebabbau, mit gespiegelten, glitzernden Höhleneingängen und hochglanzpolierten Treppen, die sich hinter Vorhängen im vielversprechenden Nirgendwo verlieren.
    Sein Magen signalisiert dem Sandner, dass ein Frühstück fällig wäre. Der Kompromiss besteht in einem Milchkaffee to go im Pappbecher. In Spendierhosen gibt er dem Hartinger auch einen aus. Die beiden Polizisten sind noch am Juxen über einen kleinen Zwischenfall, den sie gerade hinter sich haben.
    Als der Hartinger nämlich das Auto am Bahnhof zwischen den Polizeifahrzeugen abgestellt hatte, auf Anweisung vom Sandner, war er schnell zur dazugehörigen Dienststelle geeilt, um Bescheid zu geben. Alles muss ja seine Ordnung haben.
    Aber er war nicht mehr zurückgekommen.
    Dem Sandner ist das Warten natürlich zu blöd geworden, er hat bald nach dem Rechten geschaut.
    Drinnen hat er eine Weile den Disput zwischen seinem Kollegen und einem übergewichtigen Schreibtischhengst, Motto – »da könnte ja jeder daherkommen« – verfolgt, die schäbigste Talkshow seit der TV-Nachmittagsbeschimpfung. Als die Argumente erschöpft gewesen waren, ist er spontan hin zum uniformierten Oberlehrer und hat ihm ganz ruhig verdeutlicht, er solle doch bitte gleich einen Strafzettel schreiben, ein Protokoll oder sonst etwas Jämmerliches, das würde er ihn an Ort und Stelle fressen lassen, süßer Senf inklusive. Sein Wort darauf. Ja, der Sandner war halt bemüht gewesen, das Niveau zu erhalten. Zugegeben, nicht ganz einfach.
    Zum Glück war der Weinzierl gerade hereinmarschiert, mit dem er auf einer Stube gehaust hatte, vor hundert Jahren in der Polizeischule. Großes Hallo, und wie ist es dir ergangen, und überhaupt. Flugs war das Thema erledigt gewesen.
    Der schmollende Sesselpupser, um eine außergewöhnliche Mahlzeit herumgekommen, hatte den Rückzug aufs Scheißhaus angetreten, um in

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