Der Sandner und die Ringgeister
daher. Du planst nicht detailliert, schnitzt und werkelst und wirst dann sofort panisch, quasi Rumpelstilzchen, sobald dein Name fällt.
»Warum der Frühsport?«, insistiert er noch einmal.
Das Hotelzimmer vom Holländer hält für den Sandner keine Überraschung bereit. Genauso hat er es sich vorgestellt. Zwei Stühle mit fleckig braunem Cordüberzug, ein weißes Melaninschränkchen, Velourvorhänge und ein durchgelegenes Bett. Unbenutzt sieht es aus, kaum vorstellbar, dass sich hier ein beflissener Roomservice schon in der Früh getummelt hat. Es stinkt nach kaltem Rauch, und er reißt erst einmal das Fenster auf. Sogleich werden sie überfallen von den Klängen und Gerüchen der aufgewachten Stadt. Hintergrundrauschen.
Der Hartinger hat dem van Leyden Handfesseln anlegen wollen, um die Hatz wichtig erscheinen zu lassen, aber sein Chef hat abgewunken.
Der Manager war brav mitgekommen, schweigend, den Kopf reumütig gesenkt, und sie hatten ihn, an der teilnahmslosen Hotelfachkraft vorbei, in sein Zimmer bugsiert.
Der Sandner will gleich noch mit den Bandmitgliedern reden. So ist es ihm am liebsten, alles unter einem Dach.
»Ik hab gedacht, ihr seid von der Presse und wollte nicht reden jetzt. Ik hab ja schon im Web gelesen, dass der Dennis tot ist. Hab ik gedacht, vielleicht ist es ein Fake oder so. Ik hab den Jungs doch noch nichts gesagt, die schlafen noch. Kann ik doch kein Interview geben.«
Wie der van Leyden ihnen so gegenübersitzt und den Mund auf einmal nicht mehr zukriegt, scheint er trotzdem nur halb bei der Sache zu sein. Natürlich ist er zutiefst erschüttert, und wie das alles hat passieren können und die Band und Pipapo. Aber alle seine Sätze fangen mit »ik« an, sodass sich der Sandner fragt, ob der Niederländer bloß ein Egomane ist oder das Geschehen mit dem Dennis nur die zweite Geige für ihn spielt. Die Ausrede mit der Presse glaubt er keine Sekunde. Van Leyden hat Angst. Große Angst. Er sieht nicht aus, als ob er zum Vergnügen durch die Pampa sprinten würde. Dass die Nachricht vom Tod bereits verbreitet wird – da hat der Sandner sich, bei den vielen Anwesenden auf dem Friedhof, keinen Illusionen hingegeben.
Der Hartinger hat ein kleines, silbernes Diktiergerät aus der Tasche gezogen und auf dem Tisch platziert. Damit sie sich gut erinnern könnten und nicht alles mitschreiben müssten, erklärt er.
Darauf starrt der Holländer. Plötzlich springt er auf. Er zieht sich die Anzugjacke aus und wirft sie aufs Bett. Das weiße Hemd klebt an ihm. Unruhig trippelt er im Zimmer umher, greift sich immer wieder ins Haar.
Wenn sich der Sandner mit ihm unterhalten will, muss er sich drehen, wie beim Schäfflertanz, oder zum Rücken reden.
Dem Hartinger muss auch sein Sitzfleisch abhanden gekommen sein, so wie er plötzlich hochruckt. Zappelig, wie Guppies auf dem Trockenen, alle beide.
Dafür ist das Zimmer definitiv zu klein. Wie in der Messestadt-U-Bahn um acht.
»Setzts euch gefälligst wieder hin«, grummelt der Sandner, noch unleidig wegen dem Milchkaffee.
Sofort lässt sich van Leyden widerspruchslos auf einen Stuhl plumpsen. Der Hauptkommissar hat sich den zweiten gesichert, der Hartinger setzt sich auf den Bettrand.
»Also weiter!«, wird van Leyden von ihm aufgefordert.
Als der Manager ihnen erzählt, dass die Band in London leben tät, aber Deutsche wären, ächzt der Sandner innerlich auf, weil das bedeutet, dass sie wahrscheinlich international ermitteln müssten.
»Wie kommt denn das?«, will der Hartinger wissen.
»Die Jungs sind alle von super Music Schools in London, da studierst du Drums oder Guitar, acht Stunden am Tag, sind mit die besten Teacher in Europe, und da gibt es dann natürlich so eine German-Connection. Du triffst dich und denkst, wieso nicht was machen, together? Ik hab sie dann in einem Club gehört, ouh da war Potenzial. Haben dann eine CD produced, läuft super, Deutschland, Austria, Schweiz, auch in die Niederlande – der Download auch super, und jetzt unsere erste große Tour – und war immer groß, immer voll ... das ist so unglaublich, unbelievable.«
Wieder fährt er sich durchs strähnige Haar, schüttelt den Kopf.
»Die schlafen noch, wir wollen um elf nach Salzburg. Da ist heute Abend ... da wäre heute ... fucking Bullshit!«
Der Sandner nickt mechanisch, schaut ihm dann aufmerksam ins verlebte Gesicht. »Gestern, nach dem Auftritt, wie war das?«
»Normal, alles gut.«
»Nichts Ungewöhnliches bei Dennis? Dammische Fans,
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