Der Sandner und die Ringgeister
Ärger?«
»Dat wis ik niet. Aber ik bin nicht lang geblieben, nur bis elf oder so, die Jungs wollten feiern und ik bin weg dort.«
»Wohin?«, fragt der Sandner.
»Wieso?«, will sein Kollege zeitgleich wissen. Er will wieder vom Bett hoch, aber der mahnende Blick vom Chef friert ihn ein.
Der Befragte verrenkt den Hals, um beide ins Blickfeld zu bekommen.
»Hab mich mit Friends getroffen, Connections sind wichtig. Du hast als Manager immer Business. Internet und Presse und all das, verstehst du?«
»Und die Band ist im ›Zenith‹ geblieben?«
»Dat wis ik niet. Ich wollte vorhin zu ihnen ...«
»Die sind alle in den Zimmern?«
»Glaub ik, ja, aber dat wis ik niet, sind ja keine Kinder.«
Der Sandner steht auf.
»Dankschön, ich denk, Sie reisen nicht ab, erst mal. Und wenn Sie das doch wollen, rufens mich vorher an, auch wenn Ihnen noch etwas einfällt. Wir werden Sie noch mal vernehmen, im Präsidium, wegen dem Abend. Liste aller Begleiter und Guestlist benötigen wir. Jetzt schau mer uns mal die Band an. Es sind drei, oder? Sie warten bittschön hier. Zimmernummern?«
Van Leyden stützt den Kopf auf die Hände. »Was mach ik mit den Jungs. Poor Dennis, so ein fucking Shit!«
»Welche Zimmernummern sind das?«
»Es sind nur zwei Zimmer 307, 308, dritter Stock.«
Der Sandner spürt, dass der Hartinger noch etwas fragen will, aber er steht auf und nimmt ihn beim Arm.
Sie stapfen die Treppe nach oben.
»Gibt’s hier keinen Aufzug?«, protestiert der Hartinger im ersten Stock.
»Dat wis ik niet«, kriegt er vom Sandner zur Antwort.
Im Dritten angekommen, greift sich der an den Kopf.
»Mensch, ich Volldepp, geh noch amal kurz runter, Hartinger, und der van Leyden soll dir die Adress und alles vom Weiß Dennis geben, Musikschule, Wohnung, Freundin. Dann rufst den Kare an – der soll die Londoner Police kontaktieren, da müsste er noch jemanden kennen, von früher. Die sollen dort amal nachfragen, ob es was Besonderes gibt. Nachbarn, Bankkonten, et cetera. Brauchen wir alles gestern. Er soll nett sein. Amtshilfeersuchen. Den Wenzel informierts ihr natürlich auch – oder noch besser – fragts ihn vorher, dann fühlt er sich an den Eiern gekrault. Und dann gehst du auf Zimmer 308 und fängst mit der Befragung an, ich komm später dazu. Kannst du dir des merken, oder schreibst es lieber auf?«
»Bin ich deppert oder eine Kellnerin?«, hört er den Hartinger schnappen, wie der die Treppen wieder runtersteigt.
Das ist vielleicht ein Fehler vom Sandner, denn vom Jagdfieber gepackt, geht das kommunikativ bei ihm in Richtung Löwenrudel. Da bräuchte er Nachhilfestunden in Mitarbeiterführung und Motivation oder besser ein essenzielles Coaching. Er ist gedanklich bereits einen Schritt weiter, quasi auf Zimmer 307.
Überhaupt ist es eine Kunst, darauf zu achten, dass die Gedanken nicht weiterspringen, während der Mensch sich noch an der letzten Ecke verschnaufen muss. Erst die Todesnachricht zu überbringen, ist ein Geduldsspiel für den Hauptkommissar. Selbstverständlich mag es kriminalistischer Erfahrungswert sein – wie schaut einer dabei, ist der betroffen, oder kommt wem ein sardonisches Grinsen aus –, aber besser, es sprudeln gleich die Antworten für all die Fragen, die ihm auf der Zunge liegen.
Die Wiesner steht auf dem Parkplatz des Klinikums in Haar. Wie bringst du einer Mutter bei, dass ihr Sohn tot ist, wenn sie nicht alle beieinander hat?
Jahrzehntelanger Alkoholabusus, hat der Doktor am Telefon gemeint und ihr noch einen Fachvortrag über Hirnrindenatrophie und Wernicke-Enzephalopathie gehalten.
Keinen Tag zu früh hätte sie wegen der Frau Weiß angefragt. Der Koffer ist schon gepackt. Geschlossene Abteilung, Pflegeheim, letztes Kapitel.
Sie hat den Arzt nicht unterbrochen, weil er eine angenehme, tiefe Stimme hatte.
Der Sokrates hat gesagt, »sprich, damit ich sehe, wer du bist«.
Zugegeben, nach diversen Gläsern Hochprozentigem, bei der Feier anlässlich der Überführung des Frauenmörders Schwanke hatte sie die Theorie aufgestellt, dass der Täter, wenn er eine unangenehme Stimme hat oder quiekt wie ein aufgeregter Eber, öfter mal ungeschoren davonkommt. Man mag ihn im Verhör einfach nicht so lang durchmangeln – so gesehen Selbstschutz oder evolutionäres Programm, welches sich da ungewollt abspult.
Der Schwanke zum Beispiel, sehr angenehmes Timbre, eher balsamierend. Der hat die Frauen nicht grob einfangen müssen, bevor er sie mit der Black & Decker malträtieren
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