Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
Vom Netzwerk:
außergewöhnlich, aber Talent hat er schon mitgebracht. Familiär vorbelastet. Der Vater hat mit der Quetschen umgehen können und bei manch einer Familienfeier aufgespielt. Volkstümliches Liedgut. Er hat dem Jungen beim Lindberg eine Höfner Gitarre gekauft, für neunundvierzig Mark, und geglaubt, der tät darauf den Ländler üben, für die gemeinsame Stubenmusi. Vom musikalischen Horizont seines Sprösslings hat er dann allerdings nicht viel gehalten. Clash, Sex Pistols, The Police. Was das mit Musik zu tun hätte, hat er immer gemurrt. Nur den Freddy Mercury hat er gelten lassen, der dem Sandner schon zu aufgebrezelt war.
    Zu Hause haben immer die Aktion-Sorgenkind-Platten genudelt, mit der Anneliese Rothenberger und all den fönfriesierten Tralalas, bis der Sandner endlich alt genug war, um sich dagegenzustemmen.
    Da konnte er heute dem Herrgott danken, dass die musikalische Indoktrination so abgeperlt ist an ihm. Ganz abgesehen davon, dass sein Vater als Schlosser nicht in der Lage gewesen wäre, ihn zu sponsern. Jeder Pfennig ist zweimal umgedreht worden im Hause Sandner.
    Dass dem Vater just während der samstäglichen Hitparade das Herz versagt hat, ist dem Sandner immer wie ein schlechter Witz vorgekommen.
    Er war zu der Zeit grad auf seinem ersten Lehrgang in Regensburg und hat, viel später, die Mutter allen Ernstes einmal gefragt, bei welchem Lied das passiert ist.
    Sie hat die Frage nicht beantworten können – natürlich nicht –, und verstanden hat sie den Sandner gleich gar nicht.
    »The Grattlers« hat dem Sandner seine Band geheißen, mit dem Aschenbrenner am Bass, sie haben in Schwabing ab und zu Darbietungen abgeliefert, wenig mit Erinnerungswert.
    Irgendwo zwischen dem Gerümpel im Keller dürften sich noch ein paar alte Aufnahmen auf Kassette befinden.
    Träume hat er schon gehabt, aber als junger Polizist hat er die schnell in den Spind gehängt und abgeschlossen. Du kannst eben nur einem Weg nach.
    Auf den Wagner Lucky, ihren Sänger, ist er vor Jahren mal wieder getroffen, dienstlich, illegales Glücksspiel und Kokain. War das ein Überflieger gewesen, damals, als alles leicht gewesen war. Weiber hier und Weiber da, immer ein Grinsen und alle Welt gekannt. Jetzt existiert der in einer anderen Dimension, in seiner eigenen Halbweltgalaxie.
    Was hatten sie es früher krachen lassen, der Aschenbrenner ist praktisch immer high gewesen und mehr geflogen denn gestanden. Und der Sandner hat jeden zammfallen lassen, der nur schräg geblinzelt hat, meistens besoffen, wie ein Seebär auf Landgang, aber irgendwann hat’s klick gemacht. Vielleicht als er die Corina kennengelernt hat.
    Die Burschen von »Nachtgoul« imponieren ihm, die Zielstrebigkeit, der Ehrgeiz, mit welchem die zur Sache gehen – keine Kompromisse. Harte Arbeit. Und gleichzeitig macht sie ihn melancholisch, diese Kaltschnäuzigkeit und Berechnung. Wenn es in der Musik heute so ausschaut, dann sind ihm die lieber, die saufen, kiffen und ihren Zorn herausschreien. Aber vielleicht ist das auch nur eine verklärte Illusion oder ein angeklebtes Image.
    Er spürt den fragenden Blick vom Hartinger auf sich, wie er da so in sich gekehrt sitzt.
    »Sollten wir nicht längst ins Büro?«, will der wissen.
    »Hast keinen Hunger?«
    Der Hartinger verneint. »Ich hätte den van Leyden auch ohne Hilfe gekriegt«, sagt er. »Ich war Siebzehnter beim Stadtmarathon über die Halbdistanz letztes Jahr. Das, was Sie auf der Straße gerufen haben, war türkisch, gell?«
    »Ja«, bestätigt der Sandner, »Dieb.«
    »Sie können türkisch?«
    »Fünf Wörter fließend. Ich bin zweisprachig aufgewachsen.«
    »Ihre Mutter ist Türkin?«
    »So könnt man fast sagen. Das wäre eine längere Gschicht. Um es kurz zu machen, meine Mutter musste mittun in der Schlosserei, Buchführung, Rechnungen und weiß der Geier, und ich war quasi ein Schlüsselkind. Aber ein sehr hungriges. Und unter uns hat eine Familie Öselim gewohnt, Fremdarbeiter hat das ja geheißen, mit einem Burschen in meinem Alter. Die hat mich verpflegt, wenn ich aus der Schule gekommen bin. Mein Vater hat die Leut nie danach angeschaut, wo sie herkamen, nur ob sie rechtschaffen waren in seinen Augen. Ja, so war das.«
    »Deswegen mögen Sie also auch die türkische Küche.«
    »Alles Prägung. Wobei sich die gute Frau Öselim oft an Knödel und Schweinernem probiert hat, quasi kulinarische Integration – das ist aber grandios in die Hose gegangen, das kann ich dir sagen. Leck mich am Arsch,

Weitere Kostenlose Bücher