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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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nicht.« Tränen laufen ihr über die Wangen.
    Die Wiesner geht auf die Frau zu und reicht ihr die Hand. Sie wird fest gepackt, dann gedrückt und gestreichelt.
    »Wiederschaun, Frau Weiß, ich muss wieder weiter.«
    »Ja, behüt Sie Gott. Schön, dass Sie gekommen sind, besuchen Sie mich wieder. Und gut aufpassen, wenns über die Straße gehen.«
    Es dauert eine Weile, bis sie ihre Hand wieder zurückbekommt, sie wartet geduldig. Wegreißen will sie die nicht, aber raus muss sie bald, sonst lässt sie einen Schrei oder schluchzt im Chor mit der verlebten Frau.
    Draußen hält sie den Arzt auf, der gleich zurückeilen will.
    »Ich bräuchte von Ihnen noch ein paar Informationen.«
    Er nickt. »Es war logisch, vom hirnorganischen respektive psychischen Zustand her, dass die Patientin Ihnen nicht sehr weiterhelfen konnte, das hab ich Ihnen ja alles auseinandergesetzt. Ob sie morgen noch weiß, dass ihr Sohn tot ist, bezweifle ich. Die Realität ...«
    »Die Realität ist hier eigentlich ziemlich nebensächlich, oder? Oh, und sie hat mir geholfen. Nur noch ein paar Fragen, das haben Sie sicher in den Unterlagen – und ... wer ist eigentlich Astrid?«
    »Astrid war ihre Schwester, die ist schon lange tot – Verkehrsunfall in Spanien.«
    Das Männchen wirft einen ungeduldigen Blick auf seine Uhr.
    »Was genau wollen Sie noch wissen? Schnell, bitte.«
    Der Sandner hat sich zum Kollegen und den anderen Bandmitgliedern gesellt. Dass er es wieder mit Klonen vom Dennis zu tun hat, wundert ihn nicht. Es kommt nichts Neues, nur Wiederholungsschleifen.
    Der Hartinger hat Schweißperlen auf der Stirn, und das Zimmer ist völlig verqualmt. Die Fassungslosigkeit steht herum, dass man sie packen und in die Tasche schieben könnte.
    Wenigstens angezogen sind die beiden Musiker. Schwarze Jeans, schwarze Gürtel, schwarze T-Shirts. Harmoniert mit den gefärbten Haarschöpfen und den düsteren Mienen.
    Der junge Kommissar hatte versucht, den Abend zu rekonstruieren, aber dabei war nicht viel herausgekommen.
    »Passen Sie auf, ich möchte, dass Sie noch mal genau darüber nachdenken«, mahnt der Sandner ungeduldig, »schreibens mir den genauen Ablauf des Abends auf, wie es für jeden von Ihnen gelaufen ist, was Sie gesehen, gehört oder erlebt haben. Machens ein Brainstorming, jede Kleinigkeit, alles kann wichtig sein. Die Liste mit den Namen nicht vergessen. Ich schick später jemanden, der holt das ab – und geben Sie sich Mühe!« Er spielt seinen alten Deutschlehrer Walldorfer, Schillerfan und immer in Theaterlautstärke, sehr akzentuiert – »und geben Sie sich Mühe, Sandner, sonst habe ich keine Hoffnung für Sie!«.
    Aber Hoffnung gibt’s immer irgendwo.
    »Ach ja – hat der Dennis telefoniert, habens da irgendwas aufgeschnappt?«
    »Hat der Dennis eigentlich ein Handy gehabt?«, ergänzt der Hartinger.
    »Nee, aktuell nicht, der hat die ständig irgendwo liegen lassen«, meint der Bassist, ein Thomas Meisnitzer.
    Die beiden Ermittler wechseln einen kurzen Blick.
    Wenn der Dennis telefoniert hat, vielleicht mit dem Täter, musste er also jemanden nach einem Handy fragen, grübelt der Sandner. Jemand könnte die Nummer haben, aber wer? Ein hauchdünner Strohhalm, eine Hoffnung.
    Als sie aus dem Hotel kommen, hat es aufgehört zu regnen, und der Sandner ist froh, dass er den Friesennerz nicht mehr zu tragen braucht. Schirme hat er sich abgewöhnt, wahrscheinlich sind schon alle Beamten der Dienststelle mit Sandner-Schirmen ausgestattet, weil er sie überall flacken lässt. Vielleicht sollte er sich welche mit seinem Logo drauf machen lassen.
    Er lotst den Hartinger zwei Straßenecken weiter zu einem türkischen Imbiss. Einfache Resopaltische, eine Theke mit kleinen Leckereien und angenehme Preise. Um diese Zeit ist noch nicht viel los, sodass sie den kleinen Raum fast für sich haben.
    Die Mezes, türkische Vorspeisen, haben es dem Sandner angetan, die in der Glasvitrine zur Schau gestellt sind. Voller Vorfreude blitzen seine Augen.
    Für den Hartinger sieht es so aus, als würde sein Chef wahllos auf alles deuten, was die Schalen und Schüsseln enthalten. Er stellt sich seinen Teller zusammen. Von Lavas und Dolma ist die Rede, Börek, Ezme und Haydari.
    Der Hartinger bestellt einen Chai.
    Sie lassen sich auf die weißen Plastikstühle fallen.
    Der Sandner macht die Augen zu, lässt die letzten drei Stunden Revue passieren, seine Gedanken vom Zügel.
    In seiner Jugend war er ein ganz passabler Gitarrist gewesen. Nicht

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