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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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Jetzt sitzt der Sandner. Sein Hirn gibt ein Puzzle, ein Teil nach dem anderen schiebt er zusammen.
    »Ich hab gewusst, wer der Mörder ist«, sagt er. »Vorher hab ich es genau gewusst, und jetzt fällt es mir nicht mehr ein.«
    Der Aschenbrenner grinst. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du hast was eingeworfen. Ich hab einmal gewusst, wie das ist mit Gott und der Erschaffung der Welt, die letzten unerforschten Zusammenhänge, alles – wieder vergessen – war wohl nicht wichtig.«
    »Was eingeworfen? Sag ich doch, das Bier. Da war was drin. Des is doch ned normal nach den paar Schluck, wie ich beinand war. Zefix noch amal!«
    »Du redest einen Schmarrn daher. Also wenn du meinst, dass du nicht besoffen warst, hast du einen Apoplex, oder jemand hat dich sauber sediert.«
    »Sediert – mit was geht das am besten?«
    »Haloperidol, Benzodiazepine, irgend so an Dreck, da findest du haufenweise Präparate.«
    »Ich bring ihn um.«
    »Wen?«
    »Den Grattler da herin! Was hat er mit dem Lehnharter, das ist doch auch bloß eine arme Sau.«
    »Wer ist denn das nun wieder?«
    »Es war was in seinem Bier, das schwör ich dir, hundertprozentig, Kruzifix, das war nicht für mich! Ich war bloß wegen dem depperten Eimer unten!«
    Der Aschenbrenner schüttelt den Kopf.
    »Ich weiß wirklich ned, was du da daherlallst. Wenn du kannst, steh amal auf.«
    »Was kann ich dagegen machen?«
    »Ich weiß ja nicht, was du intus hast und wie viel. Hast du nichts geschmeckt? – Flumazenil intravenös vielleicht, aber ich sollte dir Blut abnehmen und ...«
    »Na – dankschön, vergiss es. Passt schon, alles bestens. Ich dusch kalt und trink ein Haferl Kaffee.«
    »Musst du wissen, dann schick dich.«
    Den Sandner hat sein Zeitgefühl verlassen. Die Welt dreht sich schneller, als er mittun kann. Das wilde Pumpern vom Aschenbrenner an der Badtür holt ihn unter der Dusche hervor. Im Slip schlürft er seinen Kaffee. Die Jacke knöpft ihm der fürsorgliche Doktor zu – sonst knöpft er anderen das Gewand auf –, bevor sie losgehen. Tattrig ist der Sandner, als hätte er vierzig Jahre übersprungen, und unbändig grantig.
    Sobald sie im Erdgeschoss ankommen, schellt er bei der Imhofer. Keine Reaktion. Mit der Faust drischt er gegen die Tür.
    »Aufmachen, Polizei!«
    Der Aschenbrenner drängt ihn weg.
    »Wie bist denn du drauf, sag amal? Deine alten Leut da herin trifft noch der Schlag.«
    »Ja – meiner, wenn ich die erwisch!«
    Dass im Keller keine Bierflaschen mehr liegen, wundert den Sandner nicht. Der ordentliche Täter räumt hinterher den Dreck weg. Nur resigniert die Achseln zuckt er.
    Der Aschenbrenner muss in der offenen Tür stehen bleiben, zur Sicherheit.
    Im Stockdunkeln hat der Sandner nächtens natürlich nicht erkennen können, dass das Papiersiegel am Flaschenhals gerissen war. Bügelverschluss wieder zu, kurz geschüttelt und fertig.
    Der Kellerverschlag vom Lehnharter ist noch ohne Schloss. Ein riesiger Pappkarton fällt dem Sandner auf und ein leeres Biertragerl. Als einzige Erinnerungen an die Kellernacht bleiben die Dellen in der Tür, dank der unermüdlichen Energie vom Hauswart. Den hat die Angst beflügelt, ohne einen Vorrat an flüssigen Grundnahrungsmitteln weggesperrt zu sein. Blanker Horror.
    Auf den Stau in der Brudermühlstraße Montagmorgen könnte man genauso wetten wie auf die Endlichkeit des Lebens. Annähernd dieselbe Quote. Jeden Morgen reihen sich die Wagerl, Stange an Stange. Man könnte meinen, sie hätten eine Verabredung, ein stillschweigendes Übereinkommen, sich hier und jetzt zu versammeln zum großen Ganzen. Eine Autoschlange, ein organisches Blechreptil. In seinem Bauch bettmüde Fahrer, zur Untätigkeit verdammt, fluchend, resignierend, mit Kippen, Handys und Kaffeebechern, wälzt es sich dröhnend durch Obersendling. Es presst sich durch Tunnelröhren und zwischen Schallschutzwänden hindurch. Mittendrin Aschenbrenners schwarzer Volvo.
    Der Sandner schweigt. Sortieren muss er. Als wäre er gerade mit einem Bauchladen voller Gelump die Treppe hinuntergerasselt. Ein jedes Drum muss wieder an seinen Fleck. Für jedes Wort, jeden Gedanken, jede Geste sucht er das richtige Tascherl.
    Das kann man per se nicht zum üblen Zustand ausrufen. Die Leute legen viel Geld für selbigen auf den Tisch oder pflegen guten Kontakt zum Doktor ihres Vertrauens. Wenn du aber zwangsweise davon gepackt, ohne eigenen Willen in neue Erlebnishorizonte expediert wirst, ist das ein bisschen wie

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