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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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Wissenschaft unterscheidet unterschiedliche Reaktionen in Gefahrensituationen. Manche Leute treffen intuitiv die richtige Entscheidung, andere wiederum verharren – Kaninchen vor der Schlange –, bis es bumst. Denen stellt sich die Entscheidungsfrage kein zweites Mal – wie überhaupt Fragen an sich.
    Der Sandner zählt aktuell, in Anbetracht seiner nächtlichen Erlebnisse, zur Nagetierfraktion. Stocksteif, mit starrem Blick, erwartet er den unvermeidlichen Dialog.
    »Sie sehen schlecht aus ... Herr Hauptkommissar.«
    Ganz im Gegensatz zu seinem Gegenüber. Gesunde Bräune im dezenten braunen Maßanzug, tipptopp, was willst du mehr? Der Staatsanwalt Wenzel kann von oben auf ihn runterschauen, besser, auf ihn herunterstoßen. Er hat etwas Raubvogelartiges, die langen Arme, die Hakennase und die hagere, sportliche Gestalt. Nur an den Adleraugen mangelt es. Er mustert den Sandner durch eine randlose Brille, als wär der ein pelziges Beutetier.
    Ein »Danke« schmeißt ihm der Sandner hin. Die Fäuste wollen nicht aufgehen.
    »Auf ein Wort«, sagt der Wenzel und wirft einen Blick über die Schulter, als wär das der Beginn einer Verschwörung.
    »Sind Sie wieder nüchtern?«
    Auf die Frage ist er nicht gefasst. Er kann sich nicht vorstellen, dass der Kare beim Wenzel über das missglückte Telefonat getratscht hat.
    »Um was geht es?«, schnappt er zurück.
    »Ich sag Ihnen das jetzt von Mann zu Mann. Wenn Sie wieder mal betrunken sind und das Bedürfnis haben, sich auszusprechen, rufen Sie die Telefonseelsorge an, und lassen Sie die Corina aus dem Spiel.«
    Der Sandner ist baff. Da hat er die halbe Nacht telefoniert und die Erinnerung einfach verschmissen. Er schaut am Wenzel vorbei, den Gang hinunter.
    »Und dienstlich – wenn ich merke, dass Ihre Arbeit vom Alkoholeinfluss beeinträchtigt wird, hat das selbstredend Konsequenzen, der Polizeirat ...«
    »Ach, Schmarrn«, sagt der Sandner und winkt ab. Leise, weil er in der Defensive ist. Was er wohl von der Corina gewollt hat, in der Nacht? Und einen Brass bekommt er. Hat sie es ihrem Björn gleich aufs Butterbrot schmieren müssen? Das hätte es nicht gebraucht.
    Gönnerhaftes Nicken vom Wenzel.
    »Wir haben alle mal einen schlechten Tag, der uns mitnimmt, wenn es bei einem bleibt ... ach, noch etwas. Der Herr Bischoff hat mich über Ihr weiteres Vorgehen informiert. Sie haben den Herrn Auerhammer vorgeladen, für heute Nachmittag.«
    »So? Kann sein.«
    »Die Auerhammers sind sehr honorige Leute. Und die Stiftung, die HiZ e. V., setzt sich ein für sozial Benachteiligte, für Jugendliche. Das sollten Sie nicht vergessen. Außerdem bestehen ihre Spender und Fördermitglieder aus angesehenen ...«
    Der Sandner nimmt sich einen Moment. Während sein Gegenüber sich heißredet und gestikuliert, beschleicht ihn eine Ahnung.
    »... die Gelder werden gut eingesetzt, da gibt es kein Gemauschel.«
    »Sie wissen gut Bescheid. Haben Sie zufällig auch mit den Fendts gesprochen? Heute Morgen? Sind Sie auch ein Fördermitglied?«
    »Herr Sandner!« Der Kopf des Staatsanwalts wirkt auf einmal gut durchblutet. »Phantasieren Sie sich da nichts zusammen, wo es keinen Zusammenhang gibt!«, sagt er scharf. »Und bringen Sie niemanden in Verruf, besonders eine soziale Stiftung nicht. Sie wissen, wie die Geier von der Presse sind. Vielleicht sollten besser Ihre Kollegen mit dem Herrn Auerhammer sprechen.«
    »Ja, und eine Masseuse lassen wir kommen, dass er sich ja wohlfühlt bei uns. Keine Sorge, das wird eine Wellness-Stunde für den Herrn Bauunternehmer.«
    Der Sandner drückt sich am Staatsanwalt vorbei.
    »Sandner!«, schreit der ihm hinterher, »passen Sie auf!«
    »Herr Staatsanwalt, ich muss pinkeln.«
    Wie er auf die Toilette kommt, macht sich der Kare am Pissbecken gerade den Hosenstall zu.
    »Sag amal ...«, beginnt er.
    »Ich war ned besoffen, hast mi?«, fährt ihm der Sandner über den Mund. »Vor zwei Stunden war es grad mal sechs, was hast du hier scho gemacht? Hast du Schlafstörungen – oder kannst du dich nimmer entscheiden?«
    »Nein.« Der Kare bleibt neben ihm stehen.
    In das Plätschern hinein fragt ihn der Hauptkommissar, ob er im Büro geschlafen habe.
    »Wenn du es genau wissen willst – ja.«
    »Herrschaft, Kare! Das ist doch ...«
    »Ja mei, ich konnte gestern einfach nicht heim, verstehst? Ich konnte mir den Blick nicht mehr anschauen von der Kathrin, und ich wollte auch – nirgends anders hin, begreifst du das? Und jetzt lass uns endlich über

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