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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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der Tat, wird arg sein.
    Wortgewandt mit wichtigem Gschau, dass selbst das Tappen im Dunkeln noch im strahlenden Kompetenzgewand daherkommt, da brauchst du ein Talent, dass sie dich im Residenztheater mit Handkuss für die Hauptrollen nehmen täten. Alternativ kriegst du immer eine Stelle als billiger Jakob. Der Sandner ist kein Medienmuffel, mit einigen Schreiberlingen geht es schon kumpelhaft zu, zumindest fair, aber er ist allweil zu gradaus als Podiumsbesetzung.
    Natürlich Schwabing. Therapeuten-Hochburg. Wenn du als Psychologe etwas auf dich hältst, muss es schon Schwabing sein. Den Altbauten haftet noch der Geruch von Boheme und Kreativität an, etwas Beschwingtes, wie ein kleiner Schwips und eine Prise Illusion und exotischer Ausschweifung, steckt in den Räumen. Geschmückt für den Aufbruch in eine neue Lebensphase, selbst wenn’s schad ist, dass du dich selber überall mitschleppen musst. Schon für die alten Freudianer das passende Ambiente, die Ledercouch aufzustellen. Heutzutage nur noch am Deckenstuck nachweisbar, die künstlerische beziehungsweise schöpferische Opulenz.
    Längst hat die Wirklichkeit die Giselastraße überrollt. Dass ein gescheites Café heute Lounge heißen muss, um etwas herzumachen, kann der Sandner allüberall lesen. In den Seitengassen sind kleine Second-Hand-Lädchen, Hand in Hand mit Kleinkunstbühnen und Kneipen in Häuserkämpfe verwickelt um ein Stückerl Identität. Sie halten noch stand, bunte Inseln im weichgespülten Meer der Gleichmacher, originell, trotzig, verschroben, prahlerisch oder mit leisem Charme. Scharfe Krallen und Zähne, zum Wehren und Festbeißen, wünscht ihnen der Polizist, und eine starke Rüstung, vielleicht aus Sentimentalität oder weil er sich an die überall aufpilzenden Burger-Tandler nicht gewöhnen mag.
    Die Praxisgemeinschaft von Janines Therapeutin repräsentiert im fünfstöckigen Jugendstilhaus. Pünktlich ist er bloß, weil er sich vor eine Ausfahrt gestellt hat. Dienstwagenprivileg. Das Klingelschild ist vergoldet, und im schwarz-weiß verkachelten Treppenhaus könntest du ohne Rempelei zwei Klaviere nebeneinander transportieren.
    Eva Fuchs. Sie kommt ihm gleich entgegen, wie er die Praxis betritt – zumindest hofft er, dass diese Frau seine Gesprächspartnerin ist.
    »Herr Sandner? Scheiße, Sie hab ich ganz vergessen. Eva Fuchs«, sagt sie und reicht ihm die Hand. »Ich habe leider nur zehn Minuten, dann kommt meine nächste Klientin.«
    »Sandner, Hauptkommissar, wird nicht lange dauern«, retourniert er und bedauert es und wünscht sich, dass sie es auch bedauert.
    Warm ist ihre Hand und zierlich.
    Den zehn Minuten, die er mit der Frau Fuchs verbringen darf, sollte man sich ohne Hast widmen.
    Sie geleitet ihn in einen Raum, da schnauft er hörbar auf. Ein Geruch von Gräsern und Erde ist um ihn, und zusammen mit der orangen Wandfarbe wirkt das Zimmer wie ein Organismus, in dessen Innerem Möbel harmonisch heranwachsen dürfen.
    Sie setzen sich in Lederswinger und schauen sich an. Die Fuchs, neugierig, fragend – und der Sandner?
    An einen Apfel denkt er, wegen ihrem grünen Kleid, asiatisch angehaucht, und den rötlichen Haaren. Sie mochte um die Vierzig sein, eine gewisse Verspieltheit liegt in ihren Zügen. Ein kleiner, schmackhafter Apfel, nicht einer von diesen glanzrot-überkandidelten Exemplaren. Um ihren weißen Hals trägt sie eine Perlenkette, und die leicht schrägen Augen richtet sie unverwandt auf den Hauptkommissar.
    Der wippt nur. Das reicht ihm. Aushalten könnte er es hier, durchatmen und entspannen. Nichts müssen.
    »Und?«, fragt sie.
    Er braucht einen Moment, bis er einen Fetzen Wirklichkeit zu packen bekommt. Er konzentriert sich auf sein Gegenüber.
    »Was würdens jetzt von mir wissen wollen, wenn ich ein Patient wär?« Schade findet er es, im Augenblick, dass er keiner ist.
    Sie lächelt.
    »Wenn Sie hier wieder rausgehen, nach zehn Minuten, mit was wären Sie zufrieden, was wäre gut für Sie?«
    »Ich muss bloß geschwind einen Mörder fangen.«
    »Das war schnell – und was wollen Sie von mir?«
    »Zu schnell, finden Sie? Dann hätt ich gern einen neuen Versuch. Oiso, wenn ich einen Zeitzuschlag bekommen könnte.«
    »Wieso das?«
    »Der Mensch entscheidet spätestens nach neunzig Sekunden, ob ein anderer ihm sympathisch ist. Stand letzte Woche erst in der Beilage von der SZ.«
    »Die lesen Sie also. Und der Polizist?«
    »Braucht noch weniger lang, wegen der Spürnase.«
    »Okay.«
    »Okay?«
    »Ja,

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