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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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wegen den roten Haaren.«
    »Jaja, ganz lustig.«
    Er macht die Tür auf, fast hätte er sie hinausgeschoben.
    »Des kriegts ihr wieder hin, Kathrin, da bin ich sicher«, sagt er halbherzig, dann ist sie im Treppenhaus. Schmarrn – mit Floskeln hätte er sie nicht bewerfen müssen. Er atmet durch. Zurück in der Küche, weiß er Bescheid. Es knistert.
    Die Wiesner ist nicht auf der Brennsuppen dahergeschwommen. Den harten Zug um ihre Mundwinkel kennt er. Er schenkt sich Wasser ein, schaut an ihr vorbei.
    »Eva Fuchs, aha. Vernimmst du Zeugen neuerdings im Bett?«
    Als tät sie nach der Uhrzeit fragen, kommt ihr Satz daher.
    »Des geht dich nix an«, braust er auf.
    »Was, wenn sie was weiß? Wenn sie der Auerhammer geschmiert hat? Was machst dann?«
    Der Sandner kann nicht folgen. »Sag, bist du paranoid? Warum sollt der Auerhammer die Eva schmieren? Zwecks was, bittschön? Was habts ihr gestern Grandioses erfahren, dass du dich gar so aufmandelst?«
    »Des is bloß a Gfühl«, sagt sie leise.
    »A Gfühl? Wegen dem Auerhammer? Oh mei.« Der Sandner streckt sich, reibt sich den Schlaf aus den Augen.
    »Sandner, ich will ned mit dir rumstreiten. Du hast mich gar ned gefragt, warum ich da bin.«
    Das hat er nicht. Mit sich ist er beschäftigt gewesen. Anderes Programm, anderer Film. Manchmal willst du die Fernbedienung ins Eck pfeffern und nicht rumzappen im Hirn, wie ein hyperaktiver Talkmaster. Er ärgert sich, dass ihn die Realität mir nichts dir nichts am Schopf packen kann und rausreißen aus dem warmen Bett, in dem er noch träumend gelegen ist. Kalt ist es draußen und ungemütlich. An jeder Ecke einer, der ihm eine andere Geschichte andrehen will. Verdammt dazu, im Schmierentheater auf ewig das Faktotum zu geben.
    »Ich hab gedacht, du wolltest schauen, wie es mir geht, und mich abholen zur Pflicht«, sagt er lahm. Eine fade Entschuldigung. Merken hätt er können, dass sie etwas umtreibt. Er denkt an die Watschn für den Kare.
    »Auch«, sagt sie, »freilich.«
    Der Sandner sieht, dass ihre Augen feucht werden.
    »Wo bist denn du grad?«, fragt er.
    Sie schüttelt den Kopf, wischt sich über die Augen.
    »Ich weiß ned, ob du des verstehen kannst.«
    »Wir ham Zeit, so begriffsstutzig werd ich schon ned sein.«
    »Hast noch einen Kaffee?«, fragt sie, bevor sie anfängt zu erzählen.
    »Da, wo ich herkomm, is ned so wie in München oder Regensburg, da kennt a jeder jeden. A Kaff halt in der Näh von Sinzing, aber des sagt dir wahrscheinlich nix. Mein Vater ist Beamter gewesen bei der Gemeinde. Urkunden, Beglaubigungen, Anmeldungen, all den Schmu. Jeden Morgen ab acht bis um vier und am Mittwoch bis um sechs Publikumsverkehr. Gebürtiger Sinzinger und meine Mutter aus Regensburg. Gespürt hab ich was, seit ich denken kann, dass des komisch war zwischen meinen Eltern. Da hast du ja als Kind Antennen dafür. Gestritten haben sie nie, eher das Gegenteil, nix gred miteinander. Mein Vater war ein ganz Ruhiger, Zurückhaltender, nie aufbrausend. Der hat nie mit der Faust auf den Tisch ghaun und gsagt, so wird’s gmacht und ned anders. Vielleicht hätt er das amal tun sollen.
    Und die Mama kenn ich nur abwesend, nicht körperlich, aber so, als wär sie immer mit den Gedanken woanders.
    Als ich so elf rum war, hat des angefangen. Um es kurz zu machen, was gehabt hat sie mit einem Arzt aus Regensburg. Zweimal die Woche ist sie hingefahren zu ihm. Wenn das wegen einer Krankheit gewesen wär, dann höchstens chronisch liebeskrank oder vernachlässigt, was weiß ich.
    Der Vater hat es, glaub ich, gewusst, und ich auch.
    Meine Brüder waren da viel naiver irgendwie, und gred hab ich ned mit ihnen. Zu der Zeit hab ich auch nix gegessen. Anorexie könntest du das nennen. Und irgendwann hat mich die Mama eingepackt und hat gemeint, ich müsst zum Arzt, so ging des ned weiter. Sie is aber ned zu einem, den ich gekannt hab, vielleicht war ihr des peinlich. Zu ihrem Gspusi ist sie hin, Arzt ihres Vertrauens.
    Und wie ich so dagestanden bin vor ihm und mich geschämt hab, für mich und die Mutter, hat er gewollt, dass ich mich auszieh, damit er mich untersuchen kann.
    Groß war er, ein Bärtchen hat er gehabt und ganz lange, behaarte Finger. Die Mama hat er rausgeschickt, weil ich ja schon groß wär, und des wär vertraulich. Und dann waren plötzlich seine Finger überall, und wenn ich sag, überall, mein ich des auch so.
    Ich war stocksteif und hab die Augen zugekniffen. Ich weiß gar nimmer, wie lang es gedauert hat. Endlos

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