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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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is mir des vorkommen. Später hat er mit der Mama über meinen Zustand geredet und Magersucht und Scheißdreck. Und dass er mich alle zwei Wochen sehen müsst, zur Kontrolle.
    So ist das gegangen über ein Jahr, mit seinen Fingern, und immer mehr ist es geworden. Weißt, des Schräge war, dass ich mir manchmal gedacht hab, des geschieht der Mama ganz recht, dass der lieber an mir rumgrabschen mag. Oder dass er vielleicht dann aufhört mit ihr und sie zum Papa zruck will, all so einen Schmarrn. Und dann hab ich mir wieder gedacht, du dumme Kuh, verdienst es gwies ned anders, selbst schuld. Sagen hab ich des keinem können. Der Mama gwies ned, und der Papa sollt gar nix wissen von dem Schwein. Meim Bruder amal, aber der hat gmeint, ich phantasier mir was zamm. So wär des halt bei einer Untersuchung, und ich bräucht ja bloß gscheit essen. Des hättens wahrscheinlich alle gesagt, da war er schlau, der Herr Doktor. Aber bei einer Untersuchung zwickt dir keiner in die Brust nei, bis du greinen musst.
    So lang ging des, bis ich am Balkon gestanden bin und gsagt hab, ich hupf nunter, wenn die Mutter mich nach Regensburg mitnimmt. Und glaub mir, ich wär gesprungen.
    Da hat sich mein Vater zum ersten Mal hingestellt und gsagt, du musst nimmer zum Arzt, wenn du ned willst. Und zum ersten und letzen Mal ham sie gestritten miteinand.«
    Der Sandner sagt nichts. Er schaut in seine leere Kaffeetasse. Der Berg ist ihm zu steil, da will er keine Haken einschlagen zum Kraxeln.
    »Und als wir gestern bei der Giese im Heim waren«, fährt die Wiesner fort, »hab ich glei so ein blödes Gefühl gehabt. Aber ein unbestimmtes. Wie wenn du merkst, es könnt eine Grippe im Anzug sein, aber du bist noch nicht richtig krank. Verstehst? Bis der Auerhammer vor mir gesessen ist. Da war plötzlich alles da. Der hat da was aufgerissen. In mir drin, weißt? Ich hab nur noch den Doktor meiner Mama im Kopf gehabt, wie der geredet hat und sein Gschau und die Hände und des Grinsen und alles. Das ist kein Hund, der bloß bellt, der schnappt zu, hab ich mir gedacht. Ich hab’s direkt vor mir gesehen. Geheult hab ich, wie ein Schlosshund, und kein Auge zugmacht, heut Nacht. Glaubst du, dass ich durchdraht bin, Sandner? Hab ich an Schlag?«
    »Den ham wir alle«, sagt der Sandner. Er schnauft durch.
    »Darf ich bei dir rauchen?«, fragt die Frau und nestelt am Päckchen. Sie steckt sich eine an, ohne sein Nicken abzuwarten.
    Sein morgenmüdes Hirn fängt unwillig an, die Informationen zusammenzubauen, bis das Resümee steht – zumindest fürs Richtfest reicht es.
    »Du glaubst also, der Auerhammer hat was mit der Janine gehabt? Und dann ist sie schwanger geworden, von ihm. Den Weiß Dennis hätt er demnach bezahlt fürs Vater spielen und ab dafür nach London, wo er ned im Weg umgeht. Wissen wir denn wenigstens, ob der das Madl überhaupt gekannt hat?«
    Die Wiesner zieht hektisch an der Zigarette.
    »Von einem Ringelpietz im Heim vielleicht?«
    »Möglich – jetzt nehm ich an, rein hypothetisch, dein Gfühl tät stimmen. Vaterschaftstest veranlassen? Da brauchst du nicht anklopfen, da lachen sie in Wald nei, der Untersuchungsrichter, der Wenzel, die ganze Bagage. Und recht hams. Du kannst ned honorige Leut anbieseln, weil die Kommissarin grad die Grippe hat. Die Verdächtigen vernehmen dazu? Die wären brunzblöd, wenn sie das aufblattln täten. Und wer könnt das eigentlich alles gewusst haben?«
    Sie schweigen.
    Kläglich schaut sie aus, wie sie da vor ihm sitzt.
    »Aber ein starkes Motiv hätten wir dann schon«, brummt er.
    Sie schaut auf.
    »Kömmer ned was machen, Sandner?«
    »Was machen kann man allerweil. Die Frage ist, ob uns dein Gfühl ned ausschmiert. Vielleicht ist er bloß ein gewöhnlicher Unsympath, der Herr Bauunternehmer.«
    »Ich hab hin und her überlegt, ob ich dir das überhaupt erzählen mag. Ich hab’s gsagt, damit du weißt, wo des Gefühl herkommt. Mehr kann ich dir auch ned sagen. Ich hab keine Gewissheit.«
    Er seufzt. »Oiso spui ma mit derer Sau.«
    Im Erdgeschoss ist die Lehnharterin gerade damit beschäftigt, Schriftzeichen von der Wohnungstür zu wischen. Exodus, 21,24.
    Der Sandner nuschelt schnell einen Gruß und eilt weiter. Die Wiesner will er nicht mit reinziehen.
    »Auge um Auge ...«, murmelt sie.
    »So ist es«, bestätigt der Sandner. Er hat schon befürchtet, es googeln zu müssen.
    Wer dir lange droht, macht dich nimmer tot. Sprüche kennt der Sandner auch. Frisch geduscht und mit akzeptabler Laune

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