Der Sandner und die Ringgeister
Und – immer aggressiv, abweisend, immer unter Strom, hat niemanden rangelassen.«
»Außer Ihnen.«
»Ja, außer mir, weil es mir ähnlich ging und ich gecheckt habe, was hinter der Fassade is – zumindest hab ich das geglaubt. Und dann haben wir uns zusammen eine Bude gesucht, ja, wir waren verliebt – nein, ich war das. Ich war damals Drummer bei ›Nachtgoul‹, es ging gerade richtig los.«
»Sie?« Der Sandner rutscht auf dem Sessel nach vorn.
»Ja klar, bis zu dem Unfall. Der Dennis war sturzbetrunken, als ich nach Hause kam, ist jetzt ungefähr ein halbes Jahr her, und hat mir vorgeworfen, ich hätt mit jemandem gepoppt. Es war voll der Schwachsinn, krank war das, aber irgendwann hatten wir uns an der Wäsche, der Dennis konnte sich nicht mehr kontrollieren, ist ausgetickt, und ich bin die Treppe runtergesegelt und hab mir den rechten Arm gebrochen. Offener Bruch, war kompliziert, volle Scheiße. Ihm tat’s furchtbar leid und alles. Weil ›Nachtgoul‹ zu der Zeit die ersten Gigs hatte, war das natürlich Kacke. Ich hab dann irgendwann vorgeschlagen, dass Dennis kurz einspringen sollt, bis ich wieder fit wär.«
»Aber er ist nicht wieder ausgestiegen?«
»Ja, bald drauf ruft mich der van Leyden an und sagt mir, dass sich die Band für Dennis entschieden hätt. You are out. Ich konnte es ihnen nicht mal verübeln. Erstens war er kein schlechter Drummer, ein besessener Drummer, ewig am Üben und Machen, und zweitens brachte er die dicke Kohle mit. Die Band wollte ’ne CD produzieren, kein Problem, Dennis schaffte das Geld ran, die Band braucht dies und das, und so weiter. Ich war weg vom Fenster, ruckzuck.«
»Das haben Sie dem Dennis übel genommen.«
»Ich sag Ihnen mal, was ich dem Dennis übel genommen hab. Ich hör also, dass ich aus der Band gekickt bin, und wie ich am Abend in unsere Bude komm, ist sein ganzer Krempel weg, und er hat sich verpisst, ohne ein Wort, einfach so, die feige Sau.«
»Und Sie?«
»Ich bin abgehauen, wieder nach München, back to the roots, der Arm war noch scheiße, die Kohle ist mir ausgegangen, was sollt ich noch in fucking London – das ist alles.«
»Das muss Sie doch tierisch gefuchst haben, der Erfolg von ›Nachtgoul‹.«
»Ach nö, irgendwie fand ich’s ja geil für die Jungs. Aber wissen Sie, was ich mich dauernd gefragt hab?«
»Ob es wirklich ein Unfall war mit dem Arm?«
»Haargenau – und inzwischen glaub ich das nicht mehr.«
»Und im ›Zenith‹ haben Sie Dennis wiedergetroffen.«
»Ja, war ziemlich überrascht, dass der van Leyden mich eingeladen hat.«
»Und Dennis?«
»Der war die ganze Zeit arschcool, hatten ja gerade ’nen abgefuckt guten Gig hingelegt, und als er gehen wollte, bin ich ihm nach. Ich wollt von ihm wissen, ob es zwischen uns nichts zu belabern gäbe. Nicht dass er wüsste, meint der und ... Scheiß drauf! Ich soll kein Drama machen, sagt er, bloß weil wir früher mal gepoppt haben, da hab ich einfach zugehauen.«
»Und er?«
»Grinst bloß, dreht sich um und haut ab, einfach so.«
»Und Sie haben rotgesehen, sind ihm nach«, mengt die Wiesner sich ein.
»Schwachsinn.«
»Sondern was?«
»Ich musste noch weg und bin dann auch gleich gefahren.«
»Wohin?«
»Zu einem Freund!«
»Wie heißt der?«
»Das ist nicht wichtig.«
»Komischer Name.«
»Ist doch scheißegal, ich hab den Dennis nicht umgebracht!«
»Ihr Freund ist Ihr Alibi. Ohne Namen wird’s kritisch.«
»Ich war es ja nicht, also brauch ich kein Scheißalibi.«
»Wie kommen Sie an den Anwalt, den Doktor Waldach?«, will der Sandner wissen.
»Das ist halt mein Anwalt.«
»Hams im Lotto gewonnen, oder hat der sein gutes Herz entdeckt? Ist er ein Freund gepflegter Musik?«
Der Sobotnik steht auf. »Ich hab Ihnen doch alles gesagt, was ich sagen kann.«
»Des langt aber ned!«
»Ihr Problem, nicht meines. Was soll ich denn machen? Am besten ruf ich jetzt den Waldach an.«
»Wenns meinen, auch den Papst oder den Bundestrainer. Wie könnens sich eigentlich so ein schickes Auto leisten, zahlt man bei den Fischtandlern neuerdings übertariflich?«
Sobotnik schweigt und schlägt die Hände vors Gesicht. Einer der drei Affen. Nur welcher? Grad als der Lehrer mit dem Kaffee daherkommt, stehen die beiden Polizisten auf.
»Wir hätten’s dann«, sagt die Wiesner. »Auf Wiederschauen.« Die Verblüffung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Sogar Vollkornkekse hätte er dabeigehabt.
»Wiederschaun, Sie spuin wirklich a sauberne Gitarre,
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