Der Sandner und die Ringgeister
haben sie, als müssten sie etwas Unangenehmes hinter sich bringen. Kurz ausgeschüttelt, die Melkmaschine angeworfen, dann geht’s wieder. Atmosphärisch allerdings ist der Kunde König und die Madln sich ihrem Wert bewusst. Geben und Nehmen, dargebotene Haut hat ihren Preis. Gestaffelt, nach Vorlieben und Aufwand. Mittagszeit ist Stoßzeit. Oase in der Servicewüste.
In Sandners Arbeitsleben hat der Lustbetrieb derbe Dimensionen. Kategorie Opfer. Dass sich einmal eine gewehrt hätte und der ewigen Maschinerie eine andere Richtung gegeben – Mangelware.
Nicht weit von seiner Wohnung, in Untergiesing haben einmal zwei Frauen ihrem Beschützer das Licht ausgedreht. So lange geschossen, bis keine volle Patrone mehr aufzutreiben gewesen ist. Merkwürdig, dass der Tote nicht als sonderlich gewalttätig bekannt war. Vielleicht auch ein Grund. Eine der Frauen hat schnell im Netz gezappelt, war aber stumm geblieben wie der Fisch. Die andere war entschlüpft – mutmaßlich Asien. Ein Motiv ist nie herausgekommen, außer dass bei so einem Sumpf aus Gewalt und Demütigung der Totschlag immer mal per Anhalter mitfährt. Meiningers Fall war das damals gewesen, und er hat sich mit dem Offensichtlichen begnügt. Ein stilles Mädel samt Mordwaffe – und ein toter Stenz aus Rosenheim mit achtzehn Einschusslöchern hat den Minigolfplatz für Heinzelmännchen gegeben.
Ein schwarzer 3er BMW mit getöntem Glas hält neben dem Bordstein. Eine Scheibe wird heruntergelassen.
»Hauptkommissar Sandner?«, vergewissert sich der Fahrer. Lederhandschuhe hat er an, der Schädel kurzrasiert.
»Ich bin’s, das Aschenputtel«, flötet der Sandner.
Der Mann steigt aus, umrundet die Motorhaube und öffnet die hintere Tür.
»Ned Ihr Ernst«, sagt der Sandner, öffnet die Beifahrertür und steigt ein.
Der Mann zuckt die Achseln, setzt sich wieder ans Steuer, und schon fließen sie im Verkehr mit.
»Des macht jetzt keinen Sinn, wenn ich Sie frag, für wen Sie fahren?«
»Ich soll Sie nach Großhesselohe fahren, Herr Hauptkommissar, runter zur Isar, ist schön da.«
Der Sandner macht es sich gemütlich.
»Hören Sie keine Musik, wenn Sie alleine fahren?«
Vom Chauffeur bekommt er einen Seitenblick, am Lenkrad drückt er ein Knöpfchen. Nirvana knallt aus den Boxen.
»Besser so?«
»Hams auch das unplugged Konzert?«, schreit der Sandner.
Wieder ein Seitenblick. Bayern eins.
»Hört des Ihr Chef?« Der Sandner hat vorhin die Dienstpistole eingeschoben, amerikanisch, hinten im Hosenbund. Sie drückt ihn. Er rutscht hin und her im Ledersitz, als plagten ihn Hämorriden. Auskennen tut er sich. Das ist ein Wagerl aus dem Landtagsfuhrpark.
Wenn man die Leut nur aus der Bayern Rundschau kennt oder vom Bild in der Zeitung, täuscht das im Allgemeinen. Steht man ihnen gegenüber, taucht ein typischer Reflex auf. Den hätt ich mir jünger, schlanker, größer oder weiß der Kuckuck vorgestellt. Die Medienaura verpufft. Du küsst einen Prinzen, und es quakt die Kröte. Eine gründliche Rasur könnte er vertragen, der Herr Doktor, und die Haut wirkt schmalzig und gelblich.
»Schön ist es hier draußen«, sagt er, »das vergisst man schnell. Man sollt sich mehr Zeit für die schönen Dinge nehmen. Ich will nicht lange drum rumreden, den Herrn Sobotnik können Sie als Tatverdächtigen vergessen.«
»So?«, fragt der Sandner bloß.
Beide schweigen einen Moment und stapfen unter den Bäumen dahin.
»Des hätt ich vielleicht längst, wenn’s ned so ein Klimbim darum gäb, wie bei der Landshuter Hochzeit. Vielleicht klärens mich a bisserl auf, Herr Doktor.«
»Der Herr Sobotnik war zur Tatzeit auf eine private Feier eingeladen, und da ist er geblieben, bis zum Morgen. Die Information muss reichen.«
Dem Sandner geht nicht nur ein Licht auf, eine ganze Lichterkette wird aufgehängt im Hirnkastel. Dem Sobotnik sein Nebenverdienst und sein Prominentenanwalt, der Doktor Waldach. Alles passt zusammen. Eine Edelhure ist er, der Bursch. Und die Politprominenz ist aufgehockt, der Würdenträger führt hier noch persönlich ein. Sauber.
»Sie können drüber denken, was Sie wollen.«
Dem Sandner ist nicht klar gewesen, dass man in seinem Gesicht lesen kann wie in der AZ.
»Wieso erzählen Sie mir das?«, fragt er, »hat der Sobotnik des Schweigen nimmer ausgehalten? Sie hätten doch weiter den Waldach nehmen können als Wadlbeißer, den Polizeipräsidenten anrufen oder ...«
»Bittschön, Herr Sandner. So naiv sind Sie doch gar ned. Zuerst
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