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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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Anzug, samt diverser Anstecknadeln, schwarzer Vollbart, die Haare kurz geschoren. Eigentlich wollte sie eine Gruppenerzieherin befragen zum Weiß und der Fetzner. Da ist sie in eine kleine, fensterlose Kammer geführt worden. Der kirchliche Advokat versucht zu lächeln. Strahlendweißes Gebiss.
    »Kommt sicher gleich«, sagt er.
    Das Kammerl ist leer, kein Stuhl, kein Schrank, an der Decke pappen tote Mücken. Die Lampe ist mit braunem Stoff überzogen.
    Das Madl, das hereinkommt, schaut sie unsicher an.
    »Das ist die Kommissarin Wiesner, sie hat ein paar Fragen. Sie sollen sie offen beantworten«, weist sie der Mann an. Wieder zeigt er das Gebiss vor. Freundlich wie ein Bullterrier.
    »Also«, rekapituliert sie, »Sandra Wiesner heiß ich, und wir ermitteln wegen dem Tod vom Dennis Weiß.« Sie versucht sich vor den Mann zu stellen, aber er wechselt flugs seine Position. Ein kleiner Tanz spielt sich vor der Erzieherin ab. Der Oberkörper und die Hände des Mannes sind in ständiger Bewegung.
    »Der Dennis Weiß war in Ihrer Gruppe?«
    »Ja, Gruppe zwei.« Die Arme hat die junge Frau verschränkt, immer wieder wandert ihr Blick von der Wiesner zum Advokaten. Stämmig ist sie, mit rundem Gesicht und riesiger Oberweite. Fels in der Brandung.
    »Mich würde die letzte Zeit vom Dennis hier interessieren. Was gibt’s zu sagen über das Verhältnis zwischen der Janine und ihm?«
    »Also, die Janine war ja in Gruppe drei. Da weiß ich nicht so viel. Sie sind schon oft zusammengehangen, haben sich ganz gern gemocht.«
    »Ham sie auch rumgeschmust?«
    »Rumgeschmust?« Das Madl kichert. »Ganz ehrlich, so richtig drauf achten kann man da nicht. Da sind immer wieder zwei zusammen, Sie wissen’s ja, wie das ist, in dem Alter, und die machen das ja nicht ständig vor uns Erziehern.«
    »Soweit ich weiß«, mischt sich der Mann ein, »achtet der Nachtdienst darauf, dass es in den Zimmern zu keinen Aktivitäten diesbezüglich kommt.«
    Es reizt die Polizistin, ihn aus der Reserve zu locken.
    »Dass sie nicht miteinander vögeln können?«, will sie wissen.
    »Jegliche diesbezügliche Aktivitäten. Wir kennen unsere Verantwortung, aber niemand ist natürlich unfehlbar.«
    »Und trotzdem ist die Janine schwanger geworden.«
    »Mei«, sagt das Madl, »so was geht allerweil irgendwo, in einem Eck oder draußen. Die sand ja ned dumm.«
    »Und wie war des danach?«
    »Na ja, der Dennis hat mit der Frau Giese gesprochen, die Janine wohl auch, und drei Wochen später ist er ausgezogen.«
    »Hat er was gesagt zu Ihnen, Sie waren doch Bezugserzieherin?«
    »Schweigsam, wie immer. Jetzt ging sein Leben erst los, hat er bloß gemeint. Der Janine müsste er dankbar sein.«
    »Und zum Kind?«
    »Kein Wort.«
    Der Mann wirft einen Blick auf seine Uhr.
    »Okay«, sagt die Wiesner. »Eine Frage hätt ich noch.«
    Sie wendet sich dem Bärtigen zu. »Wieso sind Sie involviert?«
    »Wir haben das intern so geregelt. Frau Giese hat mich informiert. QM Standard. Bei Befragungen, in denen die Sexualität innerhalb der Einrichtung zum Inhalt werden könnte, bieten wir rechtliche Unterstützung an. Sie müssen das verstehen.«
    »Ja und nein«, sagt die Wiesner.
    Vom schwarzen Mann wird sie bis zum Ausgang eskortiert, als hätte er ein Wächteramt inne. Nicht ganz abwegig.
    »Ich glaub, ich werde noch einmal kommen«, verabschiedet sie sich.
    »Gerne, rufen Sie einfach vorher an.« Der Wachhund bleibt an der Tür stehen, wie sie zum Auto geht. Dankbar sollte er der Janine also sein, der Dennis Weiß. Unfehlbarkeit hat sie nicht vorausgesetzt.
    Die Fuchs Eva hat sich geirrt. Den prophylaktischen Grenzzaun hätt sie nicht aufbauen müssen.
    Der Sandner hat noch nie geglaubt, dass er auf jemanden ein Abonnement hat. Das hat ihm das Leben ausgetrieben. Auf nichts und niemanden. Nicht einmal auf die Wahrheit. Manchmal liegt sie vor dir im Dreck, und du brauchst sie bloß aufklauben und polieren, dass sie erglänzt. Ein anderes Mal findest du sie nie, so besessen du auch sieben magst, wie ein Goldsucher am Klondike. Für das Wühlen kann sich der Hauptkommissar nicht begeistern, eher schätzt er den alchemistischen Ansatz. Hiervon ein bisschen und davon und simsalabim – liegt er da, der glänzende Klumpen. In Bezug auf die Wahrheit, könnte man sagen, es schadet nichts, sie zu kreieren. Hauptsache, sie ist da, auch wenn ihr Geburtshelfer sich Illusion schimpft. Letztendlich ist sie nie ungeschminkt. Ein bisschen Rouge darf es schon sein. Und für seine

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