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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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Zutaten macht sich der Sandner auf nach Giesing.
    Mit der S-Bahn fährt er selten. Ihm gegenüber sitzt ein Paar, neben ihm ein dicklicher Junge, vielleicht neun, mutmaßlich ihr Sohn. Gummibärchen stopft er in sich hinein, während er mit dem Handy daddelt. Die Geräuschkulisse besteht aus Piepstönen, Rascheln und Schmatzen. Irgendwann fällt ihm die Tüte zu Boden, und der Sandner muss der Versuchung widerstehen, darauf herumzutrampeln, am besten noch auf den Wurstfingern.
    Der Bub sammelt akribisch die Bärchen vom Boden, selbst zwischen den Füßen der Mitreisenden.
    Er erinnert sich, wie unmöglich die kleine Sanne gewesen war auf längeren Zugreisen. Das versöhnt ihn, stimmt ihn milde. Soll er machen, der Bub. Er lächelt ihm sogar kurz zu.
    »Ich möcht noch was«, quengelt der.
    Die Frau kramt in ihrem Täschchen und fördert einen Schokoriegel zutage, der alsbald im Mund des Jungen verschwindet.
    Friss dich ned so zamm, möchte der Sandner ihm zurufen. Die Gier von dem Burschen deprimiert ihn.
    Der Weiß Dennis und die Janine fallen ihm ein. Auch sie haben sich etwas geholt, weil sie nicht bekommen haben, was ihnen zustand. Gier.
    Noch immer schaut die Frau aus dem Fenster und der Mann ins Leere. Kein Wort, keine Geste wird verpulvert. Der Kleine bleibt unbeachtet.
    Wenn du etwas partout nicht bekommen kannst, nimmst du dir einen Ersatz. Es klingelt in Sandners Hirn, aber er kann es nicht deuten. Den Zusammenhang findet er nicht. Vielleicht, weil es so durchgeschüttelt worden ist in letzter Zeit. Der Kopfschmerz stellt sich wieder ein.
    Bis zum Harras fährt er, um mit dem 54er weiterzukommen. Wie er aussteigt, sagt er »Servus« zu dem Burschen.
    »Servus«, echot der verblüfft und starrt ihn groß an.
    Als er draußen vor dem Fenster steht, treffen sich ihre Blicke noch einmal.
    Der Knirps probiert tatsächlich ein Lächeln aus.
    Seine Eltern sind weiterhin abwesend. Elterndummies, damit man das Sorgerecht irgendwo draufstempeln kann.
    Der Harras ist einer der seltenen Plätze, die ihren Namen einem Kneipenwirt verdanken. Wenn es nach dem Sandner ginge, könnte sich das System durchsetzen. Zumindest hat er niemanden umgebracht, der Harras, sofern sein Schweinsbraten tadellos gewesen ist. Im Gegensatz dazu sind ja Legionen von Straßen und Plätzen nach schlachtenden Feldherren aller Epochen benannt. Summierte man die Anzahl an vorwiegend ahnungslosen Menschen, die sie und ihre Gefolgschaft um die Ecke gebracht haben, hast du locker die Einwohnerzahl Münchens übertroffen. Hingegen der Robert Mathias Harras, der hat den Leuten Geselligkeit beschert und knurrende Mägen mit Kuchen bekämpft. Das ist eine Platztaufe wert.
    Die Gemütlichkeit findest du am Harras allerdings trotz Gründerzeitfassaden nicht mehr. Verkehrsknotenpunkt. S-Bahn, U-Bahn, Oberlandbahn, Einkaufspassage, Bus, Kaffee to go, Butterbrezen, Baustellen. Dazwischen stehen Auswärtige, Inseln gleich, im Meer der hyperaktiven MVV-Nutzer. Links gehen oder weggerempelt werden.
    Nach kurzer Busfahrt besucht der Sandner den Miran in seinem Lädchen. Schwer und muffig liegt der Geruch aufgehängter Kleidungsstücke im kleinen Raum.
    Hunderte ihrer Träger hinterlassen ihre Marke.
    Einen Polizeihund könntest du hier binnen zehn Minuten mit Psychose zum Tierpsychologen schaffen.
    Nach einem längeren Schwatz mit dem Miran trollt sich der Hauptkommissar nach Hause.
    Zwei Stunden hat er noch Zeit. Ruhig ist es im Treppenhaus. Die Rindsbacherin scheint unterwegs zu sein. Sonst fühlt sich der Sandner wohl mit der Beschaulichkeit. Heute ärgert er sich darüber, weil er ahnt, was dahinter lurt. Und noch mehr packt ihn der Ärger über sich selbst. Könnte er nicht die Stiegen hoch, und gut ist es? Ignoranten sind im Allgemeinen negativ konnotiert, den Sandner überkommt der Neid auf diese Spezies und ihre Fertigkeiten. Da könnte er sich ein Liedchen pfeifen auf der Treppe.
    Kaum ist er in den vier Wänden, spielt sein Handy. Wo er denn abgeblieben wär, will der Kare wissen. Ohne auf die Frage einzugehen, weist er ihn an, den Auerhammer zum Gespräch zu bitten. Sechs Uhr im Präsidium.
    »In zwei Stunden? Und warum? Was soll ich dem sagen?« Der Kare ist verblüfft.
    »Sagst ihm, es wär wichtig, aber kein Drama. Er braucht keinen Anwalt daherschleppen, aber kommen muss er.«
    »Sandner, des macht ihn und mich misstrauisch. Was ist mit dem Wenzel, der wird davon Wind bekommen.«
    »Das darf er, Hauptsache, der Auerhammer kommt. Des schaffst du

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