Der Sandner und die Ringgeister
Wanst.
Der Sandner seufzt. Der Puls rechnet mit Warp-Antrieb. Heldentum ist steinernes Brot. Scheißdreck, Sandner versus Unterwelt, zweite Runde. Schritt für Schritt nähert er sich dem Trio. Heiß wird ihm und der Mund trocken.
Die Schläger schenken ihm nun ungeteilte Aufmerksamkeit.
Der Rambo grunzt, übel lädiert schaut er drein, Blut läuft ihm aus allen sichtbaren Öffnungen.
»Was willst du?«, knurrt sein Peiniger.
Mit heiler Haut davonkommen – für den Anfang.
»Weißt du ...«, beginnt der Sandner und ist mit einem Satz bei dessen Kumpan.
Zwischen ihm und Dragan flackt ein menschliches Hindernis. Fünf Sekunden Aufschub.
Der andere will den Shaolin geben, stolpert aber vornüber.
Der Rambo hat nach seinem Knöchel gegrabscht. Braver Bub.
Zweimal stoßen Sandners Fäuste vor, Jochbein und Leber, bevor er vom Dragan eine Sauberne eingeschenkt bekommt. Blitzgeschwind, der Bazi.
Er taumelt zur Seite und plumpst über ausgestreckte Haxen. Metallischer Geschmack im Mund.
Der Schweigsame will sich wieder hochrappeln. Kompliziert, weil der Rambo ihn am Kragen zu fassen kriegt und ins Ohrwaschl beißt.
Ein damisch zappelndes Knäuel, der Sandner mittendrin. Ohne ein Wunder kommt er nicht aus. Hinter ihm die Hauswand – nix zu machen.
»Was denkst du dir hä, alter Sack?«, zischt der Dragan, aufrecht tänzelnd.
Ja, was? Den alten Sack kann er ihm unterschreiben.
Ins Dunkel kommt Bewegung, eine Gestalt schleicht heran. Es scheppert, Scherben fliegen. Den Dragan schmeißt es aufs Pflaster. Sein Spezl reißt sich vom Rambo los. Bevor der Fisimatenten macht, haut ihm der Sandner von hinten, mit ganzer Wut, in die Nieren. Der Kerl japst auf, bevor es ihn zusammenrollt wie einen panischen Igel. Aus ist’s! Sakrament!
»Des is jetzt zwar blöd, aber ihrem Cheffe werdens das nicht auf die Nase binden wollen«, kommentiert der Lucky, einen abgebrochenen Flaschenhals in der Hand.
Sie zerren den Rambo hoch.
»Immer ein Gfrett mit dem Personal«, schnauft der Sandner. Er bückt sich und zieht dem Dragan das Handy aus dem Sakko. Scharren und Getuschel von den hinteren Rängen. Klammheimliche Zuschauer. Vorstellung vorbei, Vorhang. Gehens weiter, keine Polizei. Sein Personal hängt dem Lucky in den Armen, als wäre es eine gamsige Schicksn.
»Schleich di endlich«, keucht der.
Der Sandner hastet los, ein Taschentuch auf die Lippen gepresst. Die Zähne sind heil davongekommen. Was kannst du mehr verlangen für eine halbe Minute Remmidemmi.
Zu Hause geht der Sandner gleich zum Kühlschrank. Darin wird er demnächst kampieren können. Eiswürfel lutschend schiebt er einen Sessel bis dicht an die Wohnungstür. Er lässt sich mit einem Glas Wein und seiner Handysammlung darin nieder. Die Lippe blutet nicht mehr. Den Schalter umlegen. Nicht leicht, wenn dir allerweil die Ganovenazubis das Gestell verbiegen wollen. Luckys Geschichte muss sich hinten anstellen.
Warum in aller Welt Verschwörungen immer am Abend ihren Ausgang nehmen, lässt sich rational nicht erklären. Der Schutz der Dunkelheit wäre nur sinnig, sollte man sich am Marienplatz zum Umsturz verabreden wollen. Der dramaturgische Effekt der Nacht ist halt ausschlaggebend. Pure Gewohnheit. Deswegen sitzt der Sandner hinter seiner Tür, wartet und lauscht. Wie das Kuvert zu Boden fällt, ruckt er hoch. Beinahe wäre er weggenickt. Himmelherrgott. Jetzt hört er ein Geräusch vom Gang. Gespannt schaut er durch den Türspion.
Die Frau Rindsbacher schließt hinter sich sorgsam die Tür. Zweimal sperrt sie ab.
Der Sandner trinkt sein Glas Wein aus. Er wird noch warten müssen. Die Stimme von Tom Waits hüllt ihn in rauchige Klänge ein. Underdog-Stories mit pechschwarzem Pathos. Das ist es, was er braucht.
Gleich beginnt die Jagd.
Eine halbe Stunde später ist er unten vor dem Haus und betrachtet gespannt die Fassade. Halb zehn, und die meisten Wohnungen dunkel. Da sind sie vorsichtig und sparsam. Niemand hier lässt das Licht brennen, wenn er die Wohnung verlässt. Vier Fenster sind erleuchtet. Sandner, Lehnharter, Lechner und das Madl aus dem Dachgeschoss. Internetsüchtig, hatte die Rindsbacher über sie das Urteil gefällt. Und gleich die Frage nachgeschoben, ob ihr Kind gut versorgt wäre, wo sich doch ihr Lebensgefährte die meiste Zeit in Kalifornien herumtriebe. Wahrscheinlich wäre es mit ihr schwer zum Auskommen. Nicht verheiratet. Ein IT-Spezialist könnte doch wohl in München zum Schaffen gehen, wenn die Liebe größer wäre.
Unten
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