Der Sang der Sakije
atmend, wühlen und mit dem Gelde klimpern. Er zählte mit dem Gefühl der Fingerkuppen. Er saß fassungslos mitten im Mist, und der Dämon des Argwohns und des Geizes wuchs ihm riesengroß über die Schulter und zählte mit. Ja, es war ein kleiner Lärm, als ob vier Hände statt zweier am Werke seien ... Endlich hörte das Klimpern auf; Zabalhatte nichts vermißt und kam von Erregung erschöpft zurück. Mit heiserer Stimme rief er Daûd herein.
»Wer hat dir kundgetan, daß ich mein karges Vermögen dort verwahre?«
»Gott selbst«, sprach Daûd bescheiden.
»Preis Ihm jetzt und immerdar!« erwiderte Zabal mit unsicherer Betonung. »Doch wie geschah das?«
»Gestern nachmittag, um die Zeit des Asr, da ich auf der Sakije schlief, da schickte mir Gott einen Traum. Du und Umm-Dabbûs, ihr wäret jung und vergnügt, und mir schien, als hätten wir eine große Schmauserei.«
»Wenn dem doch so gewesen wäre!« seufzte Zabal halb sehnsüchtig, halb erleichtert auf. »Doch die Zeit ist vergangen und dahin und kehrt nie wieder! Denn jetzt bewuchern uns die Besitzer, und die Barmherzigkeit kommt aus ihrem Herzen heraus wie die Ameisen, wenn man sie auf der Jagd beschwört: >O Ameisen, kommt heraus!< – Sie lassen uns nichts als das Hemd auf dem Leibe. – Doch wie war der weitere Verlauf deines gesegneten Traumes?«
»Wir hatten Zickleinviertel und bereiteten ein Mahl. Wir hatten es wie die Emire, die jeden Tag Kunafa essen. Und du hattest dein Ergötzen mit Umm-Dabbûs ...«
Hier stießen sich die ältlichen Leute in die Seiten; Umm-Dabbûs kreischte wie gekitzelt auf, und auch Zabal gab ein kleines Meckern zum besten. Sie waren wie Kinder, die man mit Fabeln erfreut.
»Und dann sangst du eine Kaside auf die Ohrringe der Umm-Dabbûs – sie waren sehr schön und gelb, feindurchbrochen und klimperten hochzeitlich. Wenn ich Geld verdiene, werde ich ihr solche schenken, wie ich sie im Traume sah, genau dieselben; sie waren unbeschreiblich hübsch.«
»Tu das, und Gott wird dich segnen«, gurrte Umm-Dabbûs.
»Und zum Dank dafür, daß du sangst, sprach Umm-Dabbûs zu dir: ›,Geh in den Hühnerstall und nimm Geld für Gewürz und färbe das Hemd Daûds mit Safran, dann ist er erlesen, und die Leute blicken ihm nach!‹, – Auf diese Weise nun erfuhr ich den Ort des Geldes.«
Die beiden Eltern bedachten eine Weile den Fall, und dann sprachen sie gemeinsam: »Dies ist wahrlich wunderbar! Es ist dir geoffenbart, und du bist bevorzugt. So werden wir dir von dem Geld geben, was der Fiki verlangt, und du bringe es ihm, denn wir sehen, daß du einem höheren Gewerbe vorbehalten bist.« Sie entzündeten die Ölfunzel wieder und stellten das Lichtchen in das Mauerloch. Daûd ließ sich von allen Seiten betrachten, dann sank er nieder, krümmte sich zusammen und schlief den Schlaf des besten Gewissens, wahrend Zabal sich noch einmal des Ledersacks versicherte, unbeholfen und gründlich zählte und ein anderes Versteck für das Geld ergrübelte, ohne Zweifel an der Offenbarung zwar, aber um den kleinen Löwen, der Blut geleckt, nicht in erneute Versuchung zu stürzen. Dabbûs inzwischen, mit ganz schwach glimmenden Augen, sah unbeweglich aus dem Dunkel zu ihm herüber. – – –
Am nächsten Morgen ging Daûd zum Fiki und brachte ihm den ersten Tribut. Das junge Huhn hielt er lebend an den zusammengekoppelten Füßen. Es piepste und hing ganz reglos in seiner unbarmherzigen Hand; nur die Augen waren blank und dumm vor Angst. Als der Fiki das Huhn sah und das Geldstück dazu, ermunterte er sich merklich. Daûd kam in einer Haltung herein, als habe ihn nur eine gelegentliche liebenswürdige Laune angewandelt, dem Schulmeister ein Geschenk zu machen; und so, als zähle er schon jahrelang zum Kreis seiner hoffnungsvollsten Hörer.
Er nahm nun gründlich und gewissenhaft am Unterricht teil und setzte durch seine bescheidenen, aber verschnörkelt und blumenhaft vorgebrachten Fragen den Würdigen mehr als einmal in geheime Befangenheit. Doch da der Fiki über eine gewisse Beredsamkeit verfügte und die Gabe besaß, in Eile Zitate zu erfinden, ob sie nun passen mochten oder nicht, so ward des Knaben helläugige Einfalt stets geblendet und von dem ungeheuren Wortschwall zu Boden gedrückt. Nichtsdestoweniger erlauschte Daûd manche Wendung und manches Gleichnis. Er sah, wenn der Fiki redete, in der Dürre eines Kommentars plötzlich eine bunte Stelle, die ihn fesselte, wie ein wohlgebautes Moscheelein etwa oder eine einsame Palme
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