Der Sang der Sakije
seine Kniefälle tat. Dann stürmten sie heraus, und Daûd war nicht der letzte. – – –
Er hatte jetzt einen Besitz. Er besaß die Sure und hatte Lob geerntet. Freilich wie es mit den Geschenken an den Schulmeister werden würde, war ihm noch nicht klar. Denn Zabal würde sich wohl schwer bestimmen lassen, auch nur einen kleinen Piaster für einen idealen Zweck zu opfern. Daûd erinnerte sich eines Vorkommnisses vor längerer Zeit. Der Hahn hatte sich eingeklemmt und war verhungert. Da war Daûd zu Zabal gegangen und hatte gesagt: »Vater, der Bespringer der Hühner ist gestorben!« Da hatte Zabal von Herzen aufgeächzt und gesprochen: »Es gibt keine Gewalt und Macht außer bei Gott! Wir sind schwer vom Unglück verfolgt, mein Sohn. Möge Allah uns entschädigen!« Einige der Freunde Zabals hörten das und bezeugten ihm ihr Mitgefühl genau so, als ob ihm ein lieber Verwandter gestorben wäre.
Die Trauer hatte drei Tage gewährt. Daûd konnteauch jetzt noch nicht vergessen, welche Hitze jene Katastrophe in den Köpfen erzeugte und wie groß der Unmut war, der damals hoffnungslos aus rotgeränderten Augen starrte. O Fiki, wußtest du, was du verlangst! Du sagtest so beiläufig: Ein junges Huhn! Wie? Du gingst verschwenderisch mit Wassermelonen und Doppelpiastern um und brachtest Daûds tiefgebeugte Familie an einen Bettelstab, dessen sie gänzlich unvermutend gewesen... Du spieltest mit ihrem Reichtum und bliesest ihn in die Luft; du schmausest schon in Gedanken die Melone und das junge Huhn, und schmatzest, daß dir der Saft der Speisen zu beiden Seiten in den Bart rann – – O Fiki, das war wahrlich nicht gut erwogen!
Daûd bekam ketzerische Gedanken. Dafür, daß ich mir eine Stunde oder zwei die Brust zersprenge, mir die Finger ermüde und die anderen Bambusen und Kinder von Halsabschneidern auf und ab wackeln sehe wie die Tollen, daß ich mir große Zurechtweisungen hole auf Grund von Dingen, die belanglos sind wie Staub und Hühnerfedern – dafür nun heischt dieser Klotz von einem aufgeblasenen Schulmeister mit lächelnd geübter Erpressung eitel Wohlleben und fetten Reichtum. Immerhin aber befand es Daûd schließlich als durchaus notwendig, schreiben und rechnen zu lernen und des Korans innezuwerden; ja, er hatte einen ehrfürchtigen Respekt, eine geheime Liebe zum Koran, und seine Phantasie war erstaunlich regsam, seit die ersten Bilder und Wendungen aus dem Gehörtenhervorblühten und seinen Blick bannten wie der Inhalt einer zögernd sich öffnenden Schatzkassette. – –
Zuvörderst nun mußte, um den Vater zur Abgabe zu bestimmen, Politik betrieben werden. Den Gang zu erschweren kam noch die Erwägung, daß er ein straffälliger Ausreißer war, der die Sakije und seine Feldarbeit gewissenlos im Stich gelassen.
Es war Abend, bis er sich entschloß. Sein Hunger war beißend. Er ließ sich als blinder Passagier auf einem Getreidekahn befördern, der leer zurück laviert wurde, um von den Königsgräben kehrende Touristen abzuholen. Er wurde zwar entdeckt und lief Gefahr, wie eine räudige Katze ins Wasser geworfen zu werden. Da er aber eine schlagfertige Suada bewies, mit Flüchen gespickt, die die harmlosen Männer baß erfreuten, ließ man ihn durchschlüpfen, auch ohne die Abgabe der für die Eingeborenen ortsüblichen zwei Millièmes. Und so stand er bald trocken auf dem anderen Ufer und begab sich auf den Heimweg.
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Zabal seinerseits, in blaugefärbte Baumwolle gewandet, befand sich noch mitten im Feld und schleppte Mist. Das gleiche tat Umm-Dabbûs. Sie arbeiteten so emsig, daß sie das Kommen Daûds gar nicht bemerkten. Trotzdem machte er einen weislichen Umweg um sie herum... Die Sakije, als er an ihr vorüberschritt, bewegte sich träge und knarzte um einen Ton phlegmatischer als sonst. Über ihr sah Daûd eine kleine groteske Silhouette: seinen Bruder.Daûd kam ins Dorf und schlüpfte in den Stall der eigenen Behausung. Die Hühner fuhren kreischend auseinander, als er hereinkam; auf der anderen Seite ging ein Zicklein heraus mit einem wehen, einsamen Blöken. Daûd vergegenwärtigte sich noch einmal mit zusammengekniffenen Lippen seinen gestrigen Nachmittagstraum, dann tappte er mit der Hand in eine bestimmte Richtung geradeswegs in den Hühnerkot hinein und erfaßte eine in die Erde gelagerte Tonscherbe. Er hob sie auf; da fand er einen Ledersack; er rührte an den Ledersack: das war... Geld! Viel Geld!
Seine kleine Hand kroch hinein und wägte einen Teil auf ihrer Fläche;
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