Der Sang der Sakije
her und stoppte plötzlich, als habe sie erschrocken ihre mangelnde Berechtigung erkannt. Im Vordergrunde lagen violette Beete, Liwanpolstern ähnlich, die man in der Sonne trocknet. Auf den gelben Straßen ergingen sich schwarze Damen und buntgekleidete Leute mit Krummsäbeln, die Kawassen glichen, offenbar aber Prinzen waren. An ihren weißen Turbanen staken Agraffen mit riesigen Reiherbüschen. Sie gingen nicht mit den Damen, kümmerten sich auch augenscheinlich gar nicht um sie; sie waren sich alle ähnlich wie Eier untereinander, und ihre mandelförmigen, schwarzen Augen blickten heiter und nichtssagend unter dick aufgetragenen Brauen hervor, so daß es schien, als verhielten sie sich nur aus Dummheit so diskret.
Der junge Daûd versenkte sich, in das Gemälde; es erschien ihm so köstlich, daß er ganz vergaß, daß es ein Gemälde war. Es war eine Welt des Glücks, und Günstlinge des Reichtums ergingen sich darin, anmutig von Begierden belebt, die sie sich gestatten durften. Ihre zufriedenen Blicke kannten nur die Allee, die violetten Beete, die reizend abgezirkelten Straßen; weiter wußten sie nichts, denn die Weiber waren für sie nicht da. Die gingen im Gänsemarsch auf der anderen Seite. – Beide Teile, Kawassen und Damen,genossen den Augenblick, genossen ihn schon, seit sie auf die Wand gezaubert waren, und würden gleich heiter bleiben, bis der Kalk herunterfiel. Mittlerweile führten sie eine Art entrückten Daseins, und Daûd, der sich mit ihnen in dem Garten befand, spürte es mit Liebe.
Es dauerte eine Weile, bis er sich zurechtfand. Denn nun wurden die Sinne auf das gelenkt, was vor dem Bilde war. Auf einer halbkreisförmigen, mit bunten Kissen belegten Bank saßen die Musikanten, die Fesse trugen, und in ihrer Mitte hockte eine in schwarzen schmutzigen Kreppstoff gehüllte Frau mit einem rollenförmigen Messingschleierhalter über der Nase. Sie alle vollführten mit Pauken, Zimbeln, Lauten und Tamburinen einen großen Lärm und schrien dazu, in aufstachelnder Einförmigkeit, einen Gesang voll unendlicher Wiederholungen.
Nach kurzer Zeit betrat ein junges Weib die Bühne. Zunächst hob sie die Arme gekreuzt vor die Brust in Schulterhöhe. Es schien, als ob sie noch stillstehe und nach dem Einsatz suche, um sich in den Rhythmus einzufügen, jedoch in Wirklichkeit war sie schon längst auf ihre Art in Bewegung. Ein leichtes wellenartiges Zittern durchlief ihre Hüftengegend ... und auf einmal, während sie näselnd zu singen begann, rollte das Becken hin und her, zeigte ein plötzlich entfesseltes, selbständiges Leben, während der Oberkörper noch in völliger Ruhe blieb.
Um die schwarzen Haare trug sie ein blaues, goldgesticktes Tuch, unter dem große dünne Goldringehervorpendelten. Ihr sehr knappes, goldbordiertes, karminrotes Jäckchen, an den Brüsten kreisförmig ausgeschnitten, bedeckte die Schultern zur Hälfte, wand sich durch die Busenrinne und umschloß den unteren Brustkorb wie ein Panzer. Unter ihm, bald in sanfter Höhlung zurücktretend, bald plastisch vorgeworfen, rührte sich mit vielfachem Muskelspiel der nackte Bauch. Prall um den Ansatz der Schenkel gefügt, hing ein bauschiges rotgoldenes Kleid bis zu den Füßen, die in blauen, bestickten Samtpantoffeln steckten. Das Kleid war in seiner ganzen Länge von goldbordierten Bändern umgeben, die, mit Lametta durchzogen, bei der Kreisbewegung des Bauches abwechselnd glitzerten. Breite Messingmünzen klirrten über der Brust, über dem Schoß und über den Hüften ... Alles an ihr zeigte eine zuckende, ruckweise Belebung, so, als erwachten die Funktionen eines wildgesteigerten Daseinsgefühls auf einem vorher ruhenden Körper.
Die Brüste bebten, sie schienen hervordringend an Rundung zu gewinnen, als sitze in jeder von ihnen eine Vogelseele, die aus dem seidenen Verlies zu entfleuchen dränge. Durch den dünnen Gazestoff, der sie umspannte, schimmerten große dunkle Warzenhöfe. Die Haut zeigte einen schwachen, hellbraunen Ton, der dem tierhaften Spiel der nackten Teile gleichsam eine edle Befugnis verlieh ...
Bisweilen wechselte die Tänzerin die Haltung der Arme, preßte sie gegen die Brust und knickte sie seitlich im Ellbogen ab, mit den Händen fächelnd. Sie warganz von billigem Schmuck bedeckt. Das allmächtige Bedürfnis, sich dem Manne hinzugeben und dies Verlangen bis an die Grenzen der Möglichkeit zu betonen, hatte aus ihr einen Gegenstand des einfachsten Kultes gemacht, das inkarnierte Idol all der dumpfen und
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