Der Sang der Sakije
seinem unirdischen Schimmer und sang immer lauter das Ende der Sure... Zum Schluß, als sie in ein Lob Allahs endete, erlosch das Licht, und die Dunkelheit sank herein.
Da stiegen die Leute herab, langsam und ehrfürchtig, und legten kleine Gaben vor dem verstummten Weli nieder. Die Frauen küßten, einen Spruch murmelnd, sein Gewand. – –
Als sich die Menge langsam zerstreut hatte, nahm der Heilige das Lämpchen heraus. Es war schwarz und flach, und wenn man es oben drückte, so glühte es. Es war ihm selbst nicht recht begreiflich, das Teufelslämpchen; es war ihm schauerlich und befremdlich; aber er sagte sich, daß es rundum geschlossen sei und somit das Höllenlicht keinen Ausweg habe. Er machte für sich noch eine kleine Privatillumination, um den Ertrag, der in Zigaretten, Weizenbroten, Obst und einer Schüssel voll Bohnen und Hammelspeck bestand, zu sichten und zur Hälfte aufzuzehren. Dann löschte er sein Licht und fiel satt und zufrieden auf der Stelle in einen sorglosen Schlaf.
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Anderen Tages war es das erste für Daûd, daß er den Schulmeister nach dem Weli fragte.
»Ich bin sehr betrübt,« sagte Ali-ibn-Mûsa, »daß ich es versäumte, den heiligen Mann zu hören. Allah strafe mich! Ich saß und rauchte, und mein Magen war gefüllt. Da liefen die Leute vorbei und schrien: ›,Ein Weli, ein Weli! Draußen im Feld!‹, – Und ich Unwürdiger sprach zu mir selbst: ›,Das Feld ist weit entfernt, und bald wird Abu-Gagâz, mein Vetter, kommen, und wir werden miteinander das Brettspiel ziehen – ‹,, also blieb ich in Lässigkeit; doch als ich hörte, der Weli habe ein Wunder getan und einen Schimmer gezeigt, da verfluchte ich mich und sprach das Bußgebet. Heute nun will ich den heiligen Mann gewißlich besuchen.«
»Er sang sehr schön, Schulmeister!« unterbrach ihn Daûd geschäftig. »Er sang die Sure der ›,sich Reihenden‹,!«
»Allah! – Du weißt das! Du bist mir wohlgefällig, Sohn des Zabal! Ich muß dich durchaus loben! Dein Fleiß und deine Beharrlichkeit sind erstaunlich! Was nun den Weli anlangt, so gilt für ihn jenes Wort, das gesprochen ward: ›,Wahrlich, über die Begünstigten Gottes wird keine Furcht kommen, und sie werden keinen Kummer haben.‹, – Welcher Art nun sind diese Personen? fragt ihr mich. Darauf sage ich dir, Daûd, und euch anderen Knaben (o Saffâr, lasse jene Maus frei und zerre sie nicht am Schwanz; denn der erhabene Gott hat ihn ihr gegeben!) – darauf sage ich euch: die Aulija sind solche, die Gott ganz ergeben sind und einenaußerordentlichen Glauben besitzen, so daß sie die Macht haben, Wunder zu verrichten. Das Haupt der heiligen Männer ist der Kutb, den Gott segne. Er geht unsichtbar umher und tut Gutes; ja, er ist hier und dort zugleich. Ein Bruder meines Vaters, der die Pilgerfahrt machte, sah ihn auf dem Dach der Kaaba sitzen und vernahm ihn, wie er zur Mitternacht dreimal schrie: ›,O Barmherzigster der Barmherzigen!‹, – – – Dies beschwor mein Vaterbruder, und es wäre Sünde, daran zu zweifeln. Ein anderer Ort, den der Kutb sich wählt, ist die Nische des Bab-es-Suweîli in der Stadt Kairo. Jedes zweite Jahrhundert ruft der Prophet – den Gott segne – den bisherigen Kutb ab und erwählt einen neuen zu seinem Dienst ...
Unter dem Schutze nun dieses einzigartig Begünstigten steht auch jener Mann, den ihr gestern saht; und mich dünkt, er ist von höherem Grad, da er von innen heraus zu leuchten anhebt, wenn er die Worte vom ›,Garten‹, spricht. Dies ist alles, was ich euch über die Aulija berichten kann ... und nun weiter, im ›,Haus Imrân‹,!«
Das war auf der Straße nach Karnak, um die Mittagszeit. Es war ein Tag wie viele andere, und Daûd ging heraus. Er ging allein mit noch nüchternem Magen und machte sich im Gehen viele Gedanken. Sein Inneres war durch manches Neue in Verwirrung gesetzt; dann und wann wachte eine unbestimmte Sehnsucht auf ... Wonach? Ja, wonach?Die Straße vor ihm zog sich, zu grellgelbem Staub getrocknet, unabsehbar dahin. Unter jedem Lebbachbaum ruhte, gleichmäßig um den Stamm verteilt, ein runder, abgezirkelter Schatten: die Sonne stand im Zenit. Das Leben ringsum schwieg; glutheißer Atem des Südwindes rührte sich.
Auf einmal wußte Daûd, wie er so im Staub dahintrottete und Mistkäfer mit der harten Sohle zerknirschte, wonach seine Sehnsucht sich rühre! Geselligkeit war es, wonach ihn verlangte, aber nicht mit Sawân, Afr oder Saffâr, sondern mit einem, der ihm selber ähnlich
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