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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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Umm-Dabbûs jetzund mit Ohrringen? – – Sie saß, runzlig und braun wohl, irgendwo auf den vorderen Ballen der Sohlen und las Linsen aus der Mulde ihres schmierigen schwarzen Baumwollschoßes. Zwischendurch blickte sie finster und verkniffen auf und schrie heiser knurrende Anweisungen zu Zabal herüber, der sich mit ungeschickten Fingern an der Handgetreidemühle zu schaffen machte. Wie schmutzig war sie doch, dachte Daûd mit einem flüchtigen, früher nie gekannten Ekel, wenn sie sich niederhockte und Linsenlese hielt! Bei Gott, sie war nur ein schwarzes Häuflein, und die Hände, an den Gelenken blautätowiert, fuhren spinnenfingrig und von nie getilgtem Schweiß sattbraun erglänzend, aus den Falten, die das Häufleinum sich hatte, aus dem Wollbausch, der es tief verdunkelte und in ein nächtliches Dasein setzte: niemandem zur Beachtung und kaum einem eine Stockung des Schritts!
    Der Umm-Dabbûs gedachte Daûd ... O meine Mutter, denke meiner nicht mehr! Ich fahre hier im funkelnden Nilgewässer, unleidlichem, doch fremdartig lichtem Gefährten zugesellt in ein Reich, darinnen es keine Ackermühsal gibt. Die Inglîz gehen auf dem blitzenden Verdeck als die Herren umher ... Auch hier gibt es Nubier, deren Gesichter durch das ewige Kriecherlächeln tückisch geworden sind wie die von Katern, deren Blut man durch Wohlleben überhitzt. Sie planen Übles, die Nubier, wenngleich sie die Krallen nicht zu gebrauchen verstehen.
    Die Inglîz plaudern miteinander; sie recken ihre flanellbekleideten Körper in Korbstühlen. Sie betten die Beine in eitel Trägheit und in herausforderndem Gleichmut einander auf die Knie; sie grinsen sich an, Stummelpfeifen in den eckig ausgebauchten Mundwinkeln ...
    Ja, dies Land ist überblickbar, dieser schmale Fruchtfaden, der Ägypten heißt, allzu leicht beherrschbar; – und sie haben ihn in der Tasche, diesen schmalen Fruchtfaden! Sie stemmen ihre Fäuste in die Hosen und zwinkern behäbig: Besitzerzwinkern! – Und doch – wenn du mich auch verfluchst, Umm-Dabbûs, und du, Zabal, desgleichen: ich kann sie nicht hassen! Noch kann ich es nicht! Sie reizen mich, sie bewegen mir dasBlut und rufen Hitze und Widerstand in mir hervor; ja, ihre Hautfarbe schon ist mir scharfes Gewürz! Und doch muß ich ihnen dienen und für mich bleiben. Und dienen muß ich vor allen jenem, der dort sein weißes Knie durch die Messingstäbe schiebt!
    Ja, o Mutter des Dabbûs, nun sitzest du verächtlich wie ein schwarzer Klumpen mitten im Getreide und verschwindest namenlos unter dem gewaltigen Strom der alles verschlingenden Sonne! – Daûd schnaubte die Nase in den emporgezogenen Zipfel des Hemdes.
    Nun wiegte Percy dort oben leise den Kopf und summte. Dann rief er: »Sing' weiter, Daûd!« und klatschte in die Hände. Drunten blieb es noch eine Weile still, so, als ob sich jemand angestrengt besänne. So war es auch, denn Daûds Kopf arbeitete und formte ... Endlich klang es bedeutungsvoll aus der Tiefe herauf:
    »Was wißt ihr, ob ich besser bin und ob ich bete;
ich verkaufe jetzt Kohl und Zwiebeln ...
Seit ihr sagtet, ich gehe den richtigen Pfad,
weiß ich nicht, ob ich den guten oder bösen gehen soll!«
    Percy verstand nichts von dieser mit Tiefsinn gesättigten Philosophie; Daûd jedoch durchlebte sie und wiederholte sie vielmals, immer trotziger, immer lauter; und schließlich schleuderte er sein: »Was wißt ihr ...« wie einen hellen Prometheusschrei heraus. Der Zweifel, den der Schluß des Liedchens enthält, spiegelte sich in seinem Gesicht und ließ es flüchtig älter werden, während er aufstand und den Kopf ganz herausstreckte ... Hinter ihm, in der dämmrigen Tiefe des Bootes, grunzte man Beifall.
    Die Palmen drängten sich jetzt dichter auf beiden Ufern. In Edfu war es dunkel, und der Dampfer stoppte. Beim roten Frühlicht löste man die Haltetaue und erreichte nach dreizehn sonnigen Stunden den Anlegeplatz von Assuan. Während dieser dreizehn Stunden kaute Daûd an dem ihm herübergereichten, für seine Begriffe etwas fremdartigen Mahl. Dann vertrieb er sich, Zigaretten rauchend und grübelnd, die Zeit, während er durch das Fensterloch an die weißlackierte Decke des Mitteldecks starrte. Dort trieben die Sonnenkringel, vom Wasser reflektiert, ihr sinnlos holdes Spiel. Zwischendurch schlief Daûd auch eine Weile ... Jedesmal, wenn er den leichten Schritt Percys hörte, spitzte er die Ohren, und ein beschaulicher kleiner Schreck durchzuckte ihn wie einen Hund, der auch noch im Schlaf

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