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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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weiß gekleidete Sudanesen mit Fessen und roten Schärpen lautlos zwischen den Rohrtischen hin und her, an denen ein elegantes Publikum sich unterhielt. Die Sudanesen gingen gern da drinnen umher; sie waren in ihrem Element, die vertrackten Kerle. Sie balancierten silberne Tablette auf den Fingern und hatten ein verständnisinnig verschmitztes Grinsen um den Mund, denn sie staken samt und sonders (das war klar) mit jenen genußsüchtigen Fremden unter einer Decke. Sie fühlten sich wohl in dieser Umgebung und in der unmittelbaren Nähe der Quelle, aus der die Pfundstücke leise klirrend fielen.
    Dazu vernahm Daûd eine ihm unverständliche, aber einschmeichelnde Musik, die daran krankte, daß sie keine Achteltöne kannte wie die hierzulande, es aber durch ausgesprochene Taktsicherheit ersetzte. Diese Musik hatte durchaus nichts Fatalistisches, sondern sie verrann wie ein melodisches Bächlein in das Abendblau. Dabei wiederholte sie im epikuräischen Rhythmus immer wieder dasselbe: »Mach schnell, sieh dich nicht um, pack an, lebe gut, lebe friedlich, freue dich an Weibern undSpirituosen, wirf Geld auf dies lächerliche Land, und bilde dir dabei herzhaft ein, daß du im Paradiese bist!« –
    Eine zirpende Lautwelle von Wohlklang, ein silbernes Gelächter junger Kehlen, ein Schimmer weißer Kleider, phantastischer Hüte, blitzender Geschmeide ... das kam aus der grausamen Drehtür heraus, die sich so langsam drehte, daß sie alles, was von innen kam, in wesenlose Bruchstücke zerhackte; diese Bruchstücke aber, zum ganzen Eindruck verschmolzen, erschütterten tief. In diesem Bad von Wohlklang und Wohlleben dehnten sich jene weißen Familien; und was den Eseljungen, der dunkel hineinstarrte, wie ein schmerzlicher Heißhunger ergriff, das war das aussichtsreich Ungewisse, das direktionslos Süße, was dem Leben dieser Leute anhaftete.
    Auch Percy saß an diesen Rohrtischen und schlürfte seinen Tee. Desgleichen saß seine unerquickliche Mutter dort, die er liebte; sein Schwesterchen, das hoch mit Gaumentönen sprach und soviel Süßigkeiten vertilgte, und zum Schluß auch der Vater, der die »Daily Mail«, ein ofenschirmähnliches Blatt, auf den Knien entblätterte und mit gerunzelter Stirn und stierer Ausdauer las. Sie alle saßen in jenem goldenen Paradies und rieben sich aneinander ...! – – – – – – – –
    Eines Morgens kam Percy in großen Sprüngen die Treppe herab und sagte: »Morgen gehen wir auf zwei Wochen nach Assuan. He, was sagst du dazu?«
    Sie fuhren auf der »Tewfik«, einem flachgebauten, weiß gestrichenen Raddampfer, nilaufwärts. Die Sonne blitzte hold auf den Messingverschlägen. Die weiten, leichtgekräuselten Wasser atmeten Frieden, die Ufer wandelten graugelb, in lieblicher Einförmigkeit vorbei, und zuweilen – ein kleines Geheck von Fruchtbarkeit – entstand eine Palmengruppe, schlank, reich gewedelt und elastisch, vom nimmermüden Nordwind geschüttelt an der Linie des kargen und doch so vielfältigen Horizontes.
    Percy lehnte am Geländer des Oberdecks, weiß und schlank, und schob sein helles Knie durch die Messingstäbe. Seine blonder Kopf stand leicht und frei in der zärtlichen Brise; sein Mund, mit der kurzen Oberlippe, öffnete sich halb der reinen Luft entgegen, und der Sinn eines Gesanges, dem er lauschte, entging ihm nicht, wiewohl er die Worte nicht verstand.
    Drunten, aus dem mitgeschleppten Bretterkahn der dritten Klasse, in dem buntgewürfeltes arabisches Volk in tabakgewürztem Genuß des Augenblicks der Ruhe pflog, sang Daûd, leiernd sang er, doch der Fittich einer Inbrunst, wie sie ein ewig morgenjunges Volk in kindlichen Regungen bewegt, flatterte wie der einer braunen kleinen pfeilgeschwinden Wildtaube durch seine Verse. Percy konnte Daûd kaum wahrnehmen, weil er schief von oben durch die Fensterluke des Bretterkahns spähen mußte. So sah er nur ab und zu den schwarzen Kopf und ein schnell emporgeworfenes Auge: sonst waren es vornehmlich die geschäftigenHände, die er erspähte, Hände, die alles in der Luft modellierten, was gesungen ward.
    »Habt ihr mein Liebchen nicht geseh'n, o Treiber der Kamele?
In der Wüste verlassen, muß sie verdursten;
nehmt meine Augen und rettet sie mir!«
    Oder Daûd erinnerte sich traumhaft einer Kasîde, die er irgendwo einmal vernommen, die aus dem Schoß der Vergangenheit laut ward als ein Angebinde der Kindheit: sie handelte von Ohrringen, das wußte er; hei, ja, von den Ohrringen der Umm-Dabbûs! Doch was tat

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