Der Sang der Sakije
was ihn selbst von Percys Antlitz abzulenken und zu beschäftigen vermochte: die Juwelen der Mrs. Aldridge. Außer dem schmalen Perlenkollier, das sie stets bei repräsentativen Gelegenheiten (mithin auch beim Abendessen) anlegte, trug sie sehr viel kostbare Ringe, die ins Auge stachen, und deren Glanz und Leuchtkraft alle Steine und Skarabäen, selbst solche, wie sie Daûd in dem Tingeltangel seiner Heimat gesehen, in unwürdigen Schatten setzte. Es konnte geschehen, daß er sich völlig vergaß und mitten beim Servieren geblendet verweilte, um die Perlen an dem rosigen Nacken der Frau auf sich wirken zu lassen. Wenn sie dann den Kopf wandte und er ihre spitze Nase und ihren kalten, pikierten Blick in Tausch nahm, ermunterte er sich mit schwachem Schreck und servierte wie im Traume weiter, während sein kleiner Kopf sich intensiv mit Spekulationen erfüllte.
Wenn die Familie nach dem Dinner noch auf Klubstühlen im Nebenzimmer kalte Getränke zu sich nahm, ward ihm ab und zu anbefohlen, zu singen. Dann stand er im Rechteck der Tür, in seinem malerischen dünnen Hemdchen, und sang in eine gelbschimmernde, von schwarz lackiertem Holz und Bilderrahmen durchblitzte Dämmerung hinein ... Man verbiß sich ein Lächeln, wenn er nach Art der Volkssänger, die er gesehen, unter leichten Hüftdrehungen einen Rohrstock über die Schultern hob und ihn, horizontal zwischenspitzen Fingern haltend, über den Kopf hob und vor sich herstieß, oder wenn er, in höchstem Falsett einen weichen Refrain trillernd, zur Bestärkung des Inhalts die hohlen Hände in den Nacken preßte und mit den Ellbogen bebte.
Da Daûd sich auch im übrigen recht brauchbar erwies, so ward ihm anbefohlen, den jungen Percy einige landläufige Redensarten zu lehren; doch war dieser Unterricht wenig regelmäßig, was an der Unlust des Schülers lag. So hatte Daûd Muße, sich mit allerhand Erwartungen herumzuschlagen. Er saß, wenn die Zeit kam, in Hockstellung, im Hausflur, und über seinen auf den Knien verschlungen Armen lebten ausschließlich die kohlschwarzen Augen, wanderten unablässig und etwas scheu durch das Gitter des Treppengeländers, bis ein schlanker Schatten das Licht des Zwischenfensters verdunkelte und leichte Füße in gelben Halbschuhen elastisch die Stufen herabtänzelten. Die junge Gestalt in Weiß und Blau sprang fast geräuschlos herab in einem leisen, durch die Kokosläufer gedämpften Rhythmus, und als sie drunten war, machte sie einen hellen Alarm und scheuchte alles auf, was ihr faul und besinnlich im Wege lag. Dann strich Daûd seine Kelabije glatt und ging in das Räumchen neben dem Badezimmer voran, wo sie das Prusten, Kreischen und Plätschern Janes hören konnten, die um diese Zeit gewöhnlich von den Händen der Zofe kalte Wasserstürze empfing.Die beiden Knaben setzten sich auf zwei Holzstühle, Daûd mit hochgezogenen Knien, Percy im Reitsitz und mit der Lehne unter dem Kinn. Zuweilen, was dem jungen Herrn wenig genehm war, mußte er nach dem Diktat des unerschöpflichen Borns, der sich vor ihm entfesselte, seine eckigen Buchstaben in ein blaues Heft schreiben, freilich in haarsträubender Orthographie, aber das tat vorderhand dem Zweck der Stunde noch keinen Abbruch.
Hei, das war eine Stunde! Die Stunde von Daûds Überlegenheit! Hier fielen die unleidlichen Schranken, hier redete Kopf zu Kopf, ein blonder, nüchterner und ein schwarzer, flink kombinierender. Hier arbeiteten die Finger, hier rollte das weiche Zungen-R des östlichen Gaumens; hier blitzten weiße Zähne in verstohlen-verschmitztem Lächeln, wenn dies oder jenes Wort der Lippe des Inglizi allzu große Mühe schaffte. »Ich will ein Schêsch bei der Kanalgesellschaft werden!« – »Pack dich, dein Vater war ein Kuppler!« – »Die Jaffa-Melonen sind besser als die vom Markt in Tantah!« – »Ich kaufe keine Zeitung!« – »Geh mit deinen Postkarten und bleib im Schutzes Gottes!« – »Ich wünsche einen Esel!« – »Erst rechts, dann links, dann geradeaus!« – »Weiß Gott, dieser Kaffee ist schlecht zubereitet!« – »Kein Vogel fliegt höher, als er nicht wieder herunterfällt!« – –Das waren einige Proben, und Percy, als mit einem guten Gedächtnis bewaffnet, erlernte sie ohne Mühe. In der Folge freilich kam es dahin, daß er bei einem Eselsritt einen ihm nie gereichtenKaffee bemäkelte oder, wenn man ihm Melonen anbot, den Vater des biederen Ausschreiers einen Kuppler nannte und ihm anbefahl, erst rechts, dann links und schließlich
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