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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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geradeaus zu gehen, was der Mann für einen prächtigen Auftrag hielt und sich unter Segenswünschen empfahl ...
    Davon abgesehen, sammelte sich Percy mit der Zeit immerhin einen kleinen Sprachschatz an, den er zuweilen, vor entzücktem Publikum, auf der Straße zum besten gab.
    Daûd seinerseits war von dem Erfolg begeistert. Was ihn jedesmal wie ein reiches Geschenk anmutete und ihn mit warmem Strom durchrieselte, war die offizielle Gegenwart dessen, den er um seiner Unnahbarkeit willen verehrte, dem zu gefallen ihn Gewinn dünkte und dem nachzuahmen ihm als die heikelste, aber anregendste Pflicht seiner werdenden Gesittung galt. Und doch: was war es weiter als der alte Zwiespalt, als die alte Wonne? Steckten nicht auch viele Beschämungen darin, durch Gesten, Blicke, Aufträge, die im Grunde nichts anderes waren als müßig ermunternde Fußtritte?!
    So war dies alles ein in sich selbst zurücklaufender Kreis von kindlicher Sehnsucht, geizig geheim gehüteter Genugtuung und öfter als nötig einer erbärmlichen Enttäuschung, die an dem moralischen Rückgrat der dienenden Persönlichkeit rüttelte, dies Rückgrat aber nur dazu vermochte, sich um einen Grad hitziger zu steifen und sich aufzurecken, bis neue Nackenschlägeden geschmeidigen Trotz wieder beugten! Denn wahres Sklaventum ist zäh; es opponiert drohend und leidet eben gerade zu dem Zweck, weil es ein bestimmtes Ausmaß an Leid nicht entbehren kann. Wird ihm Demütigung erspart, läßt man es gedeihen, dann verkennt es seine Grenzen, dann wird die beharrlich lauernde, kleine Bestie befreit, die in der Brust jedes Orientalen sitzt! – –
    Jedesmal, wenn Daûd zufällig nicht beansprucht wurde und bei dem greisen Bauwab am Gartentor verweilte, kam der Mann mit dem Affen und der Ziege vorbei.
    Es war dies ein heiterer Tagedieb, ein Kind des Pöbels, mit schiefstehenden Augen und abgründiger Unverschämtheit. Er trug ein verschossenes, von Flecken besätes Leinenhemd, das nachschleppte, und auf dem kleinen Schädel ein gestricktes, stirnförmig gemustertes Baumwollkäppchen. Seine nackten Ohren standen breit von dem knochigen, kahlen Gesicht ab, dessen Haut auf den Wangen je drei lanzettförmige Narben zeigte. So wallte er vorbei, mit vorgeneigter Brust, ein Tamburin unter dem Arm, und schleifte seine beiden Tiere an Lederriemen hinter sich her. Der Affe war ein Hundskopfaffe mit blaugrauem Haarkleid und rosenblütfarbenem Hintern, und die Ziege, zu deren Seite er hüpfte, war ein ramsnasiger Ausbund von einer dressierten Ziege.
    Mit dieser Gesellschaft nun zog jener Mann, Sadik mit Namen, vor die Brasserien und an die Umzäunungender Cafés und ließ die Ziege auf einem Holzpflock mit erweitertem Plattförmlein Platz nehmen. Dort oben hatte sie die Aufgabe, sich um sich selbst zu drehen, und der Affe hüpfte dazu rhythmisch zu dem hohlen Gekrächz Sadiks, der auf dem Boden hockte, sein Tamburin schlug und mit zugekniffenen Augen werbende Schmeichelworte auf die Tiere häufte. Sodann ließ Sadik den Affen noch auf der Ziege reiten – – oh, das machte Effekt. Meistens ward er mitsamt seinen Tieren wieder hinausgeworfen, aber es glückte ihm immerhin, ein paar halbe Piaster einzunehmen ... Daß nun Sadik auf Daûd wie ein Magnet wirkte, daran waren nicht die Tiere schuld, sondern etwas weit anderes: eine Beschlagenheit in Dingen, die Daûds Phantasie erhitzten. Befragt, wohin er seinen Verdienst trage, brachte der Dompteur mit heiserer, von Gier entstellter Stimme die Rede auf einen Stadtteil, den er die Wasa nannte, eine Bezeichnung, die ortsüblich schien, denn auch der greise Bauwab ermunterte sich, als er den Namen hörte, und malte mit der welken Hand unzweideutige Umrisse in die Luft. Dabei erhellten etwelche Erinnerungen seine erloschene Miene wie Sonnenblitze, die in eine Kloake fallen ... Durfte man beiden glauben, so war jedes erdenkbare Vergnügen, jeder Trunk und Taumel dort für kleinste Münze kauflich; es war herrlich dort, man hatte es gut! Da der Mann mit den Tieren nicht abließ, daran zu erinnern und seine Lockungen jedesmal durch neue Berichte anfeuernd verstärkte, so wirbeltedem jungen Daûd der Kopf, und ein brennendes Verlangen ergriff ihn, dem Manne bei der nächsten Gelegenheit in das Paradies zu folgen. Sadik war entzückte Bereitwilligkeit.
    Die Gelegenheit ergab sich am nächsten Freitag. Daûd erhielt seinen Ausgang ohne viel Schwierigkeiten, übernahm jedoch die Verpflichtung, am nächsten Tage um neun Uhr wiederum zur Stelle

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