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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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Schuhe, langsam an der Auslage vorüberschritt... und als sie vorbei war, überprüfte Daûd das Gehörte, und siehe: es steckte eine verhüllte Einladung darin. Er leistete ihr zur Nachtzeit Folge und geriet in ein prächtiges Haus, durch eine Hintertür: und nach lautlosem Durchschreiten eines langen Ganges und dreier duftender Gemächer vollzog sich die Begegnung im schwärzesten Dunkel ohne einen Funken Licht...
    Diese Zirkassierin stimmte ihn etwas wählerischer; jedenfalls überwand er von nun ab die Neigung zu dem Weib in der Wasa.
    Er hatte eine äußerst blumenreiche Art, seine Ware anzupreisen. So drang sein Ruf umher, und selbst Europäer gingen spaßeshalber vorüber und ließen sich (unbeschadet ihrer kritischen Hintergedanken) zauberhaft schnell in das aus elegantem Französisch oder schlagkräftigem Englisch gewobene Netz wickeln, das der junge Mensch mit leise werbendem Tone spann, ohne dabei seine meditierende Haltung zu verändern.
    Gab der Ladeninhaber ihn für ein paar Stunden frei, dann machte er einen Spaziergang. Und überall sah er Neues und doch: wie unendlich Anheimelndes! Seine Seele glänzte dabei auf; er war zufrieden...
    Eine kleine Strecke weit begleitete er einen Leichenzug und schloß sich den Sängern von der Schule an, die monoton grölten. Er folgerte nach dem Wert der rot-*gemusterten Decke auf dem Sarg, ob es ein reicher oder armer Mann sei, den man zu den Gräbern vor den Toren trug. Grell jammernde Weiber folgten einem Frauensarg, der einen schmuckbeladenen Hals am vorderen Ende trug, und an der Spitze dieses Zuges wandelten, sich an den Händen fassend, blinde Ulama. Hatte Daûd sich an diesem Schauspiel satt gegafft, das er fast täglich genießen durfte, so trieb er sich weiter durch die Hamsaui, verzehrte in einer Frühstücksstube eine Portion Saubohnen mit Zwiebeln, gezuckerte Gurken oder die Hälfte einer blutroten Wassermelone, oder er setzte sich an die Wand einer Zauje, zwischen feiernde Tagelöhner, oder zu Gassenjungen, an deren Spielen er sich noch beteiligte (mehr mit dem Gestus einer Liebhaberei zwar als aus wirklichem Bedürfnis).
    Darauf ging er nach einem mit jauchzender Lungenkraft durchgeführten Streit, dessen Verlauf jene zeternden Ferkel siegreich zur Demut zwang, wenngleich sie ihm noch erbost nachgeiferten, zu den Gewürzhändlern und naschte bei ihnen, eine Eigenmächtigkeit, die sie grinsend gestatteten. Was gab es auch an nie geschauten Pikanterien! Fahrende Garküchen hatten ihren Reiz schon für ihn eingebüßt ... An den Quellen, die er aufsuchte, gab es Muskatnuß, Anis, Papageienfutter, Hirse, schwarzen Mohn, rote Pfefferschoten, von der Staude gepflückt, und schwarze, wie sie auf Bäumen wuchsen; selbst große Schwefelstangen gab es und grünes Henna ... Von dem letzteren erstand er sich ein Häuflein. Nach Hause gelangt, feuchtete er es an undfüllte die Hände damit, die ihm Abu-Katkûs zusammenband, während er schlief. Und am nächsten Morgen leuchteten seine Handteller, herrlich rot geätzt...
    Er sah den halbnackten, mit gelben Hüftfetzen bekleideten Kerlen zu, die mit Eisenstangen in Steinbehältern Drogen zerpulverten: Gummi und Seifenwurzeln aus dem Sudan, von denen die Frauen aßen, um fettleibig zu werden (man schätzte die Fettleibigkeit, wie Daûd an seinen älteren Freunden wahrnahm, ungemein). Oder er ging in die Zuckerije, in das Reich der Manufakturhändler. Hier war in jedem Laden ein unablässiges, leises Händerühren. Weber saßen an ihren Bandwebstühlen und zauberten rote Zierleisten in die mit Indigoschwarz gefärbten Baumwollgewänder, wie sie die Fellachen und Beduinen tragen. Unablässig auf und ab spulend, drehten sich die räderförmigen Strähngewinde aus leichtem Bambus... Bügler, in Schneiderstuben, sprühten Wasser aus dem Mund auf die Mäntel und führten das Bügeleisen mit dem Fuß über die Gewänder... Sie glichen Affen; all ihre Gliedmaßen waren in Bewegung...
    Aus einem flachen Gebäude, an dem Daûd zuweilen vorüberkam, drang ein rasselndes Ticken, für das er keine Erklärung fand, bis er sich eines Tages verschämt hineinstahl. Was er sah, begriff er zunächst nicht recht. Auf vielen parallelen Tischen standen Maschinchen, von kleinen Pleuelstangen in Bewegung gesetzt; sie arbeiteten, hasteten, tickten, als ob in jeder ein kleiner, fleißiger Dämon sitze, der zugleich ein Sinnbild für dies ganzeregsame Viertel sei. Als nun Daûd die Augen zufällig in ein Nebenräumchen wandte, war er für eine

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