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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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Minute fassungslos und verblüfft ...
    Denn da drinnen, mit demselben Schritt, wie sie um die Sakije kreiste, ging eine dumpfe Gamusah ihren Frongang; sie war die Kraftquelle, sie erhielt das Leben dieser ganzen vielfältigen Zwirnerei. Daûd trat heran und streichelte sie. Sie grunzte leise, als ob sie einen Gruß aus der Heimat spüre ...
    Und auf dem Hof, zwischen aufgestapelten Baumwollballen phlegmatisch gelagert, sah er zu, wie man einem Esel ein kunstvolles Sattelmuster auf den Leib schor, und er dachte des eigenen, dessen jetziges Schicksal ihm dunkel war, nicht ohne eine gewisse träumerische Wehmut ...
    Was war dies auch zuweilen für ein seltsames Gemisch von traumhafter Vergangenheit und der Empfindung fiebernder Gegenwart!
    In dem Viertel Darb-el-Achma, beizenden Ledergestank in der Nase, durchirrte er enge Gassen unter Zeltdecken von flammender Buntheit, die mit aufgenähten Koransprüchen und geknickten Sternornamenten bedeckt waren ... Zwischen Pantherfellen und ausgehängtem Zaumzeug hockten die Schuster und wachsten ihre Ziehschnüre ein, die sie mit den großen Zehen spannten. Ab und zu glitzerte ein Laden voller Lametta vor ihm auf, gefüllt mit rosa Zuckerpuppen, und rotbärtige Aleppiner hockten darin und spannten Tarbusche auf verstellbare Messingkübel.Die Fülle des Geschauten, das ihn neu und gleichwohl so heimatlich umgab, ermüdete Daûd. Er lehnte sich an den Alabasterbau eines Brunnens, unfern einer Medresse unter das ziselierte Gitterwerk eines Fensters und starrte die Straße hinab ... Wie in der Wasa wachte ein Gefühl in ihm auf, eine schrankenlose Hingabe der Seele an all dies phantastische Leben, das, noch unangetastet von der dahinrollenden Zeit, gleich dem dort draußen an den Ufern des Stromes seit vielen Jahrhunderten bestand und bestehen wird – unter dem Pulsschlag einer unfaßbar endlosen Gegenwart. Daûd war sich der eigensten Empfindung nicht bewußt, die ihn zur Andacht trieb; er fühlte nur das Unzerstörbare all der gleichmütigen Gesichter in allen Schattierungen von Braun und der uralten Handgriffe, die ihren flinken Lärm machten; das Unzerstörbare dieses ganzen lächelnden Volkes, das nie anders als von heute auf morgen denkt. Er fühlte das unvollkommen, aber deutlich genug, um sich ganz in üppigem Gleichmut zu ihnen zu gesellen und alle Sorge gleich ihnen von sich abzutun, wie man ein Ungeziefer mit den Fingern vom Ärmel schnippt.
    Eines Tages prallte er während einer ziellosen Wanderung zurück und staunte: er stand vor dem Bab-Zuweili, vor jener Torschlucht in der Stadtmauer: hier hauste der Kutb!!
    Die schwarzen Torflügel trugen an Nägeln, mit denen sie dichtbespickt waren, unzählige Fetzen, die sich wimpelnd in leichtem Winde rührten. Frauen tratenheran, hoben ihre schmutzigen Kinder empor und ließen deren Stirnen und Lider an die eisernen Zapfen rühren ... Daûd sah scheu hinüber; etwas wie religiöse Inbrunst lähmte seinen Schritt. Und mitten in dem kreischenden, unablässigen Verkehr, der ihn wild umdrängte, gedachte er Ali-ibn-Mûsas, seines alten Lehrers, und der blaue Traum unter der Akazie, den er vor Jahren geträumt, durchleuchtete ihn und schüttelte ihn wie plötzliche Wollust. Erst nach langer Weile kehrte er, ganz in tiefes Sinnen verloren, um und ließ sich von der Welle des Verkehrs zurücktragen, gleichgültig wohin ...
    Vor ihm wuchs der Wunderbau der Muaijad-Moschee empor und streckte seine beiden schlanken Minarette wie atmende Pflanzenschäfte in das Blau. Mit Zinnen von dreilappiger Lilienform wie ein Schrein geschmückt, beherrschte dieser Tempel einen Teil der Straße und zerdrückte mit seinen wuchtigen Maßen das wimmelnde Leben dort unten, das von seiner erhabenen Sicht aus einer Unratrinne glich. Daûd ging auf die alte Fassade zu und staunte empor. Abwechselnd weiße und schwarze Steinschichten türmten sich zu prunkvoller Höhe: wie süß das Blau durch die Zinnen dort oben quoll und jede Lücke leuchtend füllte!
    Von oben taute Stalaktitenschmuck aus der sphärisch vertieften Bekrönung auf das Tor herab. Und dies Tor, von arabischem Rankenwerk umblüht, öffnete seine bronzenen Torflügel, die gebuckelten Schmuck von märchenhaftem Formenreichtum trugen, dem Kömmlingwie zur Begrüßung. Ein halbblinder Hüter kam hervor; Daûd legte seine Schuhe ab und ging barfuß auf den kühlen Fliesen ins Sanktuarium. Er trat auf einen der Seitenliwane und blickte die Säulenreihen herab. Der Garten schob auf dem Grund des

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