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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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alten Sachn-el-Gama seine sonnigen Baumgruppen bis zu den Arkaden heran. Hier in der feierlichen Stille, in die der Straßenlärm ganz fern, kaum lauter als Mückengesumm, hereindrang, leistete Daûd sein Abendgebet, während die Schatten erwachten und das Blau in der Rosette ihm gegenüber tiefer wurde. Dann schlief er ein.
    Als er erwachte, flimmerten rote Ampeln über ein Meer gebeugter Rücken hin; und von der Kanzel her, die er nicht sehen konnte, drang eine langgezogene, vibrierende Stimme, bebte durch den kahlen Raum und füllte ihn an, feierlich und fanatisch. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
    Eines Tages saß er schläfrig hinter seinen Schuhen. Die verflossene Nacht hatte er ein zweites Mal bei der Zirkassierin zugebracht, ohne doch mehr von ihr zu sehen zu bekommen als früher. Ihrer großen Hitze war es zuzuschreiben, daß er leichte Schatten unter den Augen trug, die ihm gut standen. Er grübelte soeben über die Lage jenes Hauses nach, die ihm immer noch unklar war (man hatte ihn jedesmal in einer geschlossenen Droschke hin- und zurückbefördert), und war gerade drauf und dran, etwas einzunicken, als ein Mensch auf ihn zukam, dessen Anblick ihn sofort munter machte.Denn der Mensch kam so unaufhaltsam auf den Laden zu, daß es sich ohne Zweifel um einen eiligen Kauf handeln mußte. Daûd taxierte ihn blitzschnell ein: ein Bei! schoß es ihm durch den Kopf. Ein großes Tier! Eine einheimische Größe! Er meint es nicht gut mit seinen Nächsten – siehst du die Nase und die gelben Augen?
    Der Mann war inzwischen angelangt und lehnte sich, die Hände in den Taschen, mit einem grellen Blick auf Daûd, an die Auslage hin. Er sah die Schuhe nicht an; er sah Daûd an. Daûd seufzte eine arabische Empfehlung seiner Ware; er war etwas fassungslos ... Infolgedessen lächelte er und wies mit einer weichen, anheimstellenden Gebärde aus seiner kreuzbeinigen Stellung heraus über all die Schuhe hin, die wie eine Kaskade, hübsch gruppiert, aus dem Laden quollen und durch ein Brett in ihrem Trieb gehemmt, dennoch mit Hunderten von reizend aufgebogenen Schnäbeln auf Wanderschaft zu gehen wünschten ...
    »Sehen Sie mich nicht an, Bei,« sprach Daûd still für sich, »sehen Sie doch die Schuhe an. Was bin ich? Ein Nichts. Ich bin nur die Betriebskraft ...« Und endlich, mit hingezogenem Lächeln, sprach er auf französisch: »Wünschen Sie mich zu kaufen, mein Herr, oder haben Sie es nur auf die Schuhe abgesehen?«
    Hier lächelte der Mann auf eine unbehagliche Art und Weise. »Du hast recht,« sagte er, »ich will dich kaufen.«
    In diesem Augenblick glich er einem Aasgeier. Seine gewölbten, hervortretenden Augen starrten grell, nackt und gefräßig in die Welt. Aus seinem ledernen, olivfarbenen Gesicht hieb die Nase wie ein Säbel nach Daûd. Alles Temperament, das er bei der Unterhaltung entwickelte, überließ er seinen Händen, die knochig waren und gewandt wie die eines Taschenspielers. Ein fadenscheiniger Schnurrbart hing grau und nikotingeschwärzt zu den Seiten der ledernen Lippen herab, die gelbe Zähne sehen ließen. Seine Schläfenadern saßen dick unter dem kantig vorspringenden Stirnbein; sein Adamsapfel stieg beim Reden ständig auf und ab. Daûd schätzte ihn auf beiläufig sechzig Jahre...
    Alle Möglichkeiten dieses Handels schossen ihm durch den Sinn, und er fühlte sich ein wenig beunruhigt. Die Situation schien sich zuzuspitzen, doch hieß es, diplomatisch zu bleiben. Er schüttelte darum langsam das Haupt und schob den Zeigefinger amüsiert in der Luft hin und her.
    Der Mann ließ sich etwas Zeit, bis er den billigen Irrtum berichtigte, und Daûd, schier verzweifelt, wand sich auf seinem Sitz. Da hatte der Mann ein Einsehen und setzte ihm sehr schnell und geläufig auseinander, wozu er ihn benötigte. Er sagte: »Ich bin Succetti-Pascha.« Da wußte Daûd, daß er den Direktor der Egyptian Banking Corporation vor sich habe; und eine große Neugierde machte ihn erbeben. Was mochte wohl den machtvollen Mann dazu bestimmt haben, sich ineigener Person nach ihm, Daûd, dem belanglosen Knaben, umzutun.
    »Ich habe von dir gehört. Ein Bekannter erzählte mir von dir; er kennt dich von der Dampfstube her. ›,Denken Sie sich!‹, sagte er, ›,denken Sie sich, Succetti-Pascha! Ich liege und denke an nichts, da kommt ein Junge aus der Hamsaui und führt Börsengespräche wie ein Alter. Das wäre ein Kapital für Sie! Ein angenehmes Gesicht! Eine volle

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