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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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Figur!‹,« Er machte einen Ring mit Daumen und Zeigefinger; ein Solitär gab seinem Entzücken, das Gehörte durch die Tatsachen bekräftigt zu finden, einen blitzenden Nachdruck.
    Daûd erbebte wiederum, aber diesmal, weil der Bericht ihm maßlos schmeichelte.
    »Und ist es wahr, daß du drei Sprachen sprichst?«
    »Das ist wahr, Effendi.«
    »Wenn du nicht lügst,« meinte Succetti-Pascha, »so stelle ich dich an. Das Gehalt wächst, wenn du dich bewährst, und du verdienst dreifach soviel als hier.«
    Er wies mit der Nase nach den Schuhen.
    Dann zog er ein Notizbuch hervor und ließ Daûd einige Sprachproben und Zinsberechnungen zum besten geben. Eine halbe Stunde lang vertieften sie sich in diese anregende Tätigkeit ... Das Resultat überstieg die Erwartungen des Direktors offenbar, denn er wurde sehr beweglich, so, als ob er es allein nicht fassen könne, als müsse er noch andere Zeugen am Ausschnitt ihrer Kelabijen heranzerren und zu ihnen sprechen:
    »Erstaunlich, meine Herren, diese Intelligenz, wie? Das ist ja scharmant ...!«
    Und siehe da, es fanden sich Zeugen. Aus den umliegenden Läden traten sie hervor und bezeigten ihren Beifall, all die schläfrigen Krämer, untermischt mit vorbeibummelndem Pöbel, der alles stehen und gehen ließ und staunend rastete.
    Auch Abu-Katkûs ward endlich lebendig.
    Er hatte im Hintergrunde des Ladens gelegen; nun weckte ihn das Stimmengewirr. Er strich seinen schwarzen, rundgeschnittenen Bart und kam voll Neugier hervor.
    Das Wortgefecht, das nun folgte, dröhnte die ganze Gasse herab. Denn als Abu-Katkûs begriffen hatte, daß man ihm seine Attraktion entführen wolle, rief er Allah und seinen Bart zu Zeugen an, daß er solches nie und nimmer dulden werde. Der Aasgeier jedoch sprach in einem Augenblick, wo Abu-Katkûs Luft zu schöpfen gezwungen war, sehr schnell und leise auf ihn ein; nahm das Heft des Gesprächs völlig in die eigene Hand, schließlich schlug er ihm auf seine fetten Schultern und teilte ihm flüsternd etwas mit ...
    Abu-Katkûs verstummte.
    Möglich, daß Succetti-Pascha von gewissen Unternehmungen des Biederen Wind bekommen hatte. Mit einem Gesicht, das sich in weinerlicher Wut verzog, trat der Kaufmann zurück.
    Daûd hatte dem Streit um seine Person gelauscht, ohne einzugreifen. Nun erhielt er die Weisung, amfolgenden Tag im Gebäude der Bank zur Stelle zu sein. »Du bist also engagiert«, sagte Succetti-Pascha schließlich. »Beherzige das, du Labsal der Augen.« Und darauf, nach einem langen, äußerst tückischen Blick, der Abu-Katküs vollends vernichtete und zusammenschrumpfen ließ, ging er seiner Wege.
    Das Volk stand noch, dem Vorfall nachträumend, eine Weile umher und starrte Daüd mit offenem Mund an. Und dieser, als sei nichts geschehen, bot an, feilschte und trieb sein Geschäftchen weiter, bis der Abend kam.
    Da lud Abu-Katküs ihn zu einem Abschiedsessen in sein Privathaus ein. Er ging früher fort, um seine Freunde dazu zu bitten; und nach Einbruch der Nacht folgte Daüd.
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    Das Haus, das Abu-Katküs bewohnte, lag in der Sikkeh-el-Guedidah in einer gleichartigen, etwa hundertjährigen Straßenzeile. Auf dem Messingklopfer der Tür standen die üblichen Worte: »Was hat Gott nicht gegeben!« Was in diesem Falle zu bedeuten hatte: »Gott hat das Haus so gemacht; ich bin nicht eitel!«
    Nach dem Durchschreiten eines gewundenen Ganges gelangte Daüd, von dem Bauwab geleitet, in die Mandara.
    Diese Mandara war ein seltsames Gemisch von konservativem Stil und neuzeitlicher Geschmacklosigkeit. Abu-Katküs' Vorväter hatten den Raum ausgestattet, wie er ihnen entsprach; davon zeugten noch die geschnitzten Balken an der Decke, die steinerne Suffeh,
    208die an der übertünchten Wand eingelassenen Schränke mit erfindungsreichen Holzgittermustern; ebenso noch die Gruppierung der Kissen und Matratzen auf den Diwanen zu beiden Seiten. Aber diese letzteren waren nicht aus bunter Seide, sondern mit kahler Leinwand überzogen; und auf der Suffeh standen keine Räuchergefäße mehr, auch kein Becken oder Krüge für Mahlzeits- und Gebetswaschungen, sondern die Generation Abu-Katküs' gestattete sich, da der Prophet nur den Weingenuß verbietet, starke Spirituosen zu gelegentlicher Leßung, so daß jenes Sims einem kleinen Schenktisch glich. Auch hatte Abu-Katküs seine Wasserpfeifen, deren er vier besaß, dort untergebracht. Auf dem sechseckigen Ziegelmuster der Durkaah, wo man sich zur Mahlzeit niedergesetzt, stand ein häßlicher, moderner

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