Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
Vom Netzwerk:
überginge? – Was war er selbst, er, Daûd? Ein Junge noch, dem man die Ärmel um die Ohren schlagen durfte!
    Daûd betete im Inneren: »O Abu-Katkûs, ändere deine Mienen; o sprich, du alter Halunke, entlaste mein Gewissen, laß ein einziges solidarisches Fältchen in deinen Zügen erblühen!«
    Doch Abu-Katkûs schwieg und stierte ihn an. Zwischendurch trommelte er einen kleinen verlornen Marsch mit seinem Stöckchen, das er zwischen den Schenkeln hielt. Es war Daûd, als sei der Takt dieses Stöckchens der einzige Lärm in einer hoffnungslosen Wüste ... Kaum vernehmbar daneben schien der Schritt des griechischen Kellners, der, vom Fieber der Zeit ergriffen, in schwerer Neugier sich in der Nähe unnütz zu schaffen machte ...
    Endlich kam es wie eine Erlösung über Daûd ... Es fiel ihm etwas ein. Ja, es fiel ihm ein, daß Abu-Katkûs' Gewissen selber nicht sauber sei, und daß es nur einer vorsichtigen Erkundung bei Succetti-Pascha bedürfe, um dem Krämer heimzuleuchten, noch ehe er sich von der gefürchteten Seite zeige ... Ja, das war es jetzt auch zweifellos, was jener bedachte; er überlegte offenbar nur noch, ob er ihm, Daûd, diesen Schritt zutrauen könne. Im Laufe dieses verbissenengegenseitigen Gedankenlesens gewann Daûds Gesicht den früheren Ausdruck wieder; ja, es schimmerte plötzlich von Keckheit und gaminhaftem Gleichmut.
    Nun war Abu-Katkûs mit seiner Überlegung fertig, blies die Backen auf und erklärte sich unter großem Gebärdenspiel zu dem Streich bereit. Es kam jetzt auch zutage, daß sich seine Überlegung just so abgespielt hatte, wie Daûd angenommen, und als die offenen Bekenntnisse gefallen waren, begann Abu-Katkûs zu lachen: mit tiefer Halsstimme, rasselnd, ausdauernd und dröhnend, und zwischendurch schlug er seinem Spießgesellen klatschend auf die Knie ...
    Am nächsten Tag rief Succetti-Pascha Daûd ins Office. Ehe er sprach, beroch er ihn gleichsam mit seiner Säbelnase, doch Daûd hielt stand. »Abu-Katkûs war heute hier«, sagte er. »Er hat sich tausend Aktien vornotieren lassen, de Vries , die erst morgen zur Ausgabe gelangen.«
    »Ich habe sie ihm nicht verkauft«, bekundete Daûd, und er nannte einen anderen Clerk, dem er die Sache unter einem Vorwand zugeschoben hatte. »Maalesh!«
    »Das ist euer verflucht billiges Wort!« krächzte der Direktor auf. »Schwindle nicht, Hundesohn! Du hast es diesem Gauner verraten!«
    Daûd nahm sich zusammen, so krampfhaft, daß ihm die Tränen ins Auge schossen. Den »Hundesohn« steckte er ein. Hier handelte es sich um mehr als um die Hinnahme einer landesüblichen Beschimpfung.
    »Sie wissen so gut wie ich, daß Abu-Katkûs Talente hat. Er hat das anderswoher erfahren; mein Gott, Succetti-Pascha, die Leute haben ihre Quellen ... Denken Sie, wie überall die Ohren offen stehen jetzt, wo jeder Fellache Kredit auf imaginäre Aktien bekommt! Ich für meine Person habe ihm nichts verraten ...« Er sagte noch manches vom Interesse der Bank und beteuerte ein zweites Mal seine Unschuld, freilich mit Umgehung jeder Eidesformel, was Succetti-Pascha jedoch nicht merkte.
    Hier stand dieser geborene Betrüger im großen Stil, dessen Hände hinter dem Rücken dreimal soviel verbrachen, als sie von vorn Gutes stifteten, und fragte ihn mit Grabesstimme und moralschwangerer Betonung: »Ist das wahr?« – – – Und Daûd, regungslos, erwiderte: »Fragen Sie ihn selbst!« Worauf Succetti-Pascha, die Komik der Verhandlung erkennend, und müde, an einen Orientalen ein Gewissensvotum zu stellen, unwirsch zu einer anderen Besprechung überging ..
    Abu-Katkûs verdiente im Laufe der nächsten Zeit an jedem Papier vier Pfund, und wenn man ihn später darauf anredete, pflegte er zu sagen: »Was hat Gott nicht gegeben!« Er liquidierte zwar noch etwas zu früh, doch war er sich in dieser Vorsicht mit Daûd einig, der ihm das Vorgestreckte mit Zinsen pünktlich zurückerstattete und selbst ein kleines Vermögen erhielt.
    Er war selig. Er hatte nun alle Möglichkeit, auf eigene Hand Geschäfte zu machen.
    Hei! Und die Zeit wurde immer lebendiger. Eine Menge von kleinen Gesellschaften konstituierte sich. Daûd, von seinem Schalter aus, durchschaute bald genug das Anrüchige, das diesen Gründungen anhaftete; und Succetti-Pascha erkannte immer mehr, welch eine wertvolle Kraft er sich in ihm (auch zu seinem rein persönlichen Gebrauch) gekapert. Denn wo gab es einen, der so geschickt und zuverlässig kombinieren konnte, welch einen Preis eine Aktie

Weitere Kostenlose Bücher