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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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unbedingte Herrschaft über ihre Umgebung kennt, und den Instinkten seiner Rasse, die sich immer noch durch die Löcher, die der Firnis frei läßt, aufzubäumen trachtet ....
    So ist er in zwei Teile zerrissen, und das tut ihm weh und versetzt ihn gleichwohl in eine dunkel abenteuernde Neugier. Es gibt zwei Daûds. Der eine ist habgierig und tierhaft; seine Kopfzier ist ein Tarbusch; er steckt im Kreis der Wasa und jenes ersten Weibes. Er unterhält sich sonor und kordial mit einem Schuhputzer, einem Losverkäufer wie mit seinesgleichen in vulgärem Dialekt und versteht so herzlich und dröhnend zu lachen, wie nur je ein Araber niederer Kaste gelacht hat .... Der andere aber ist penibel empfindlich und nimmt, englischen Akzent in der Geste, stundenlang auf Shepheards Terrasse Kaffee oder Spirituosen zu sich; vielleicht läßt er sich herbei, einen Zudringling, einen Knaben aus der Plebs, wie sie die kühlere Tageszeit vor die Lokale schwemmt, mit einem Fußtritt abzulohnen ....
    Den Punkt der Spaltung fühlt er wie eine Wunde!
    Er kennt diesen Punkt; er starrt ihn, aus seiner Herzensbeschränktheit heraus, bisweilen hoffnungslos an, wenn er kurz zuvor eine der schmerzlichen Erfahrungen gemacht; ist er jedoch bei seinesgleichen, so kann man ihn nicht einmal den Einäugigen nennen unter diesen Blinden! Kleine Handlungsgehilfen und Orientbummler ohne Beruf – sie sind in jedem Belang echter, sind echtere Briten oder Franzosen als diese jungen Tarbuschträger, als diese billigen Baumwoll-, Seide- oder Tabakprinzen mit ihrem steten Debakel vor dem Versuch, die europäische Tradition gegen die eigene einzuhandeln ....
    Alles läßt sich einhandeln, warum nicht auch dies? Warum werde ich, warum werden diese liebenswürdigen jungen Leute hier nicht als Gleichgestellte angesehen, woher (und Fluch darüber!) kommt der stetige jämmerliche Zwang des Schielenmüssens auf das, was diese Eindringlinge tun? Zum Henker mit diesem Zwang! – – Und doch, jedes weiße Kind, wie es dort mit seinem eigensinnigen Herrscherstimmchen eine Gasse in den Verkehr sprengt, ist drollig und höchst verehrungswürdig zugleich – es bleibt nichts übrig, als etwas albern lächelnd in seinem Kielwasser zu gehen und ihm nachzufolgen wie vor Jahren der Jane Aldridge über die Brücke Kasr-el-Nil .... Ja, und jetzt? – – Man fühlt sich geschmeichelt, wenn man von jener Seite einen anerkennenden Schlag auf die Schulter erhält, und beißt stillschweigend die Zähne zusammen, wenn man statt dessen zufällig einen Tritt bekommt.
    Einen Ausweg gibt es, eine Lösung, wohl wert, mit allen Fibern daran zu glauben: Geld, und nochmals Geld.
    Es dem Khediven gleichzutun, das ist das einzige: sich in großem Stil zu bereichern ! Dann bekommt man einen Teil des Heftes, das jene halten, mit in die Hand, und sie können es nicht hindern. Man kann alles kaufen, warum soll man sich nicht auch die Gleichstellung als Mensch erkaufen können, wenn man nun einmal um jeden Preis darauf versessen ist?? – – –

Die Mutter
    Was weiß man von den kindlich-zähen Fingern, den tappenden Händen, den vertrauensvollen Griffen, den weich an Burnusfalten gedrückten Köpfen arabischer Kinder? In Dunst und Lärm schlummern sie, hin und her geschüttelt, auf den Schultern ihrer zermürbten Mütter, die einen Korb voll Kohl oder Kürbissen auf den flachen Hirnschalen tragen, um die die Sorge ihren dumpfen Ring geschmiedet, und in denen die kümmerlichen Gedanken stundenlang um ein Kupferstück kreisen ....
    Und das schmutzige, nackte Kind umklammert den Hals, umklammert ihn wie ein Affenjunges mit aller atavistischen Gier des Heimatgefühls, nahe dem Zuspruch des Pulses in der mütterlichen Halsschlagader, um die es seine Arme preßt; die Beinchen schließen sich, an den Knöcheln mit dem Spielzeug einer silbernen Spange beschwert, wild und zäh um die Schulter, bohren sich in die Falte der Abaja ein mit einwärts gekrümmten Sohlen und unbewußt fingernden Zehen .... Es ist schmutzig, es ist fliegenüberwimmelt, es ist ein großköpfiger, erboster Wechselbalg, ein denkbar überflüssiges Geschöpf, und doch sagt es: »Mutter!« – Und sie nährt es, prügelt es und schleppt die Last mit sichherum; sie stopft ihm Zuckerrohr in den Mund, das sie mit Vorsorge bespeichelt hat; sie duldet seinen Unrat, seine kleinen, glatten Muskeln, seine tobenden Ansprüche; sie nennt es Geschenk des Erbarmens und zieht es groß ....
    Und wenn es strampeln kann, bekommt es ein Käppchen und

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