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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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vertrug? Wo gab es einen, der gleich liebenswürdig und unschuldig am Schalter zu geschäftsunkundigen Leuten sprach: »Glauben Sie mir (im Vertrauen gesagt!), die ›,Baehler‹, erleben noch ihre zwanzig Prozent!« oder der mit leichtem Augenaufschlag so nebenhin fallen ließ: »Welche Chancen, mein Herr!« Wo gab es einen, der gleich darauf ins Office stürzte und rief: »Die ›,Baehler‹, stoßen wir lieber heute als morgen ab, ich glaube, sie sind faul!«
    Oh, Daûd, dies Lamm am Schalter war eine Perle, und je mehr Succetti-Pascha sich davon überzeugte, desto weniger steckte er seine Nase in dessen Privatgeschäfte, desto seltener fragte er danach, mit welchem Gelde der operierte, der notorisch als besitzloser Handlungsgehilfe bei ihm eingetreten war!
    Denn er selber (das wußte Daûd genau – und diese Mitwisserschaft war seine stärkste Stütze!) war, stärker als billig, von dem allgemeinen Fieber ergriffen und machte auf eigene Faust Geschäfte, für die er sich mehr interessierte als für das Gedeihen der Bank. Und dar*aus, daß er ihn nicht hinderte, schloß Daûd untrüglich, daß er sich als solidarisch mit der großen Macht betrachten durfte, und daß man es ihm vergönnte, in dem großen Glücksspiel mitzuspielen.
    Die Hauptsache für ihn war, klaren Kopf zu behalten und sich nicht in die Karten sehen zu lassen; denn er wurde von seinen Kollegen längst mit einem gewissen neidischen Misstrauen verfolgt, gegen das selbst seine hilfsbereite, anmutige Liebenswürdigkeit und die gelegentliche Preisgabe kleinerer Manipulationen machtlos blieb...
Dritter Teil

Hassan-Muharram
    Es gibt einen jungen Ägypter; er trägt sich modisch mit etwas anspruchsvoller Eleganz; er hat einmal, wie man sagt, seinen früheren Namen – einen schwer auszusprechenden und lächerlichen Fellachennamen – gegen einen hübscheren eingetauscht und nennt sich gegenwärtig Hassan-Muharram. Gelegentlich trifft man ihn bei Shepheards, wo seine dunklen, schmachtenden Augen stets ein leicht befangenes Interesse europäischer Damen erregen. Eine Marseillerin, die ihre Betätigungssphäre Jahr für Jahr auf Kairo auszudehnen pflegt, hat sich ihm an den Hals geworfen. Es ist eine schwatzhafte Brünette ohne Haltung, die sich leicht betrinkt und ihre teuren Toiletten nach wenigen Tagen zuschanden trägt. Er führt sie zuweilen in die Sphinxbar, den jetzigen Tummelplatz der Spekulanten nach Börsenschluß.
    Diese Bar hat an Bedeutung gewonnen; sie ist eine Schacherhöhle größten Stils; sie gärt von Geld; die Gesprächebrandung schlägt auf die Straße, und nie erträumte Zahlen, heiser herausgeschrien, platzen aus ihrem von Weiberdunst und Tabakrauch erfüllten rotschimmernden Innern hervor. Hier ist die Nachbörse, hier werden die Makler bestürmt, hier wechseln diePapiere ihre Besitzer. Effendis, die große Gewinne gemacht, schütten den käuflichen Damen aus Cocktailbechern die Pfundstücke in das Dekollete; Sekt wird nur noch korbweise verlangt, und eine einzige grölende jubelnde Hymne dröhnt auf, die Hymne auf dies Land, das seinen ahnungslosen Kindern das Geld auf einmal scheffelweise schenkt; auf dies reiche Land, dies herrliche, fette Land, dessen Verwaltung nach europäischem Muster man nun selbst an sich reißen muß, um zum mindesten die Hälfte des Baumwollertrages in die eigene Tasche zu leiten! Ha, man zappelt vor neu entdecktem Patriotismus und schwelgt darin! – – –
    Hinter dem Holzgitter knobeln junge Offiziere der Okkupationsarmee um ein geschminktes Mädchen. Sie ist blond; ihr Kehlgelächter schwingt zu oberst auf der Gesprächsbrandung des ganzen Lokals. Das Gefüge ihrer Haltung ist völlig gelockert; sie degradiert sich, und ihr kindlich-vergnüglicher Geschlechtseifer umfängt mit allumfassender Verschwendungslaune den ganzen Tisch, um dessen kupferne Platte sich sechs oder sieben blonde, gebräunte Köpfe drängen.
    Ein junger Ägypter starrt hinüber auf das bepuderte drollig-pausbackene Profil, auf das kindliche Kinn, auf die amethystfarbenen Augen, die in Lachtränen schimmern –: der Kopf dreht sich, halb verdeckt von einem großen grünblauen Straußfederhut, in einer Lücke des geschnitzten Gitters, das die Tische separiert, wie in einem Rahmen hin und her. Die Kapelle spieltDas fast rötliche Blond der Haare versetzt ihn in dumpfe Ekstase. Mâschalla! Es muß zu kaufen sein, dies rötliche Blond, diese weiße Haut... Plötzlich dreht sie das Gesicht und sieht ihn an. Sie ist keine Kokotte mehr.

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