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Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch

Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch

Titel: Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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Doch der erinnerte sich an das Gittertor, durch welches er seinerzeit hereingekommen war. Sie schlüpften zwischen den verschnörkelten Eisenstäben durch.
    Auch die unsichtbare Barriere aus Angst machte ihnen keine besonderen Schwierigkeiten, denn sie war speziell gegen Menschen konstruiert und bestand aus Gespensterfurcht; das heißt, daß selbst eingefleischte Zweifler, wenn sie in diese Zone gerieten, plötzlich an Geister glaubten und Reißaus nahmen.
    Auch die meisten Tiere fürchten sich vor Gespenstern - aber Kater und Raben am wenigsten.
    »Sag mal, Jakob«, fragte Maurizio leise, »glaubst du, daß es Geister gibt?«
    »Klar«, antwortete Jakob.
    »Hast du schon mal einen gesehen?«
    »Nicht persönlich«, sagte Jakob, »aber meine ganze Verwandtschaft ist in früheren Zeiten immer auf den Galgen ’rumgehockt, wo die Aufgehängten gebaumelt haben. Oder sie haben auf den Dächern von Spukschlössern genistet. Jedenfalls gab’s da Geister jede Menge, gab’s da. Aber unsereins hat nie Arger mit ihnen gekriegt. Da is’ mir nix bekannt. Im Gegenteil, mit manchen waren meine Leute sogar ganz gut befreundet.«
    »Ja«, sagte Maurizio tapfer, »bei meinen Ahnen war es genauso.«
    Damit hatten sie die unsichtbare Barriere hinter sich und waren nun auf der Straße.
    Die Fenster der hohen Häuser waren festlich erleuchtet, denn überall feierten die Menschen Sylvester oder bereiteten sich auf das vergnügte Fest vor. Nur wenige Autos waren noch unterwegs, und noch seltener sah man einen Fußgänger, den Hut tief ins Gesicht gedrückt, eiligen Schrittes irgendwohin streben.
    Niemand in der ganzen Stadt ahnte das Unheil, das sich in der Villa Alptraum vorbereitete. Und niemand bemerkte den kleinen dicken Kater und den zerrupften Raben, die sich auf den Weg ins Ungewisse gemacht hatten, um Rettung zu suchen.
    Anfangs überlegten sich die beiden, ob sie sich nicht einfach an einen der Vorübergehenden wenden sollten, aber sie kamen rasch wieder davon ab, denn erstens war es sehr unwahrscheinlich, daß ein normaler Mensch ihr Miauen und Krächzen überhaupt verstehen würde (möglicherweise würde er sie nur mitnehmen und in einen Käfig sperren), und zweitens wußten sie, daß es sowieso kaum irgendeine Hoffnung auf Erfolg gab, wenn Tiere Menschen um Hilfe baten. Das hatte sich ja zur Genüge erwiesen. Selbst wenn es im eigenen Interesse der Menschen gelegen hatte, auf die Hilferufe der Natur zu hören, waren die Menschen taub geblieben. Sie hatten die blutigen Tränen vieler Tiere gesehen - und einfach weitergemacht wie bisher.
    Nein, von den Menschen war keine raschentschlossene Rettung zu erwarten. Aber von wem dann? Jakob und Maurizio wußten es nicht. Sie gingen einfach immer weiter und weiter. Auf der glattgeräumten Straße war es etwas leichter, trotzdem kamen sie nur langsam gegen den Schneesturm vorwärts, der ihnen ins Gesicht blies. Aber wer nicht weiß wohin, der hat es ja natürlich auch nicht besonders eilig.
    Nachdem sie eine ganze Weile schweigend nebeneinanderher gelaufen waren, sagte Maurizio leise: »Jakob, vielleicht sind das unsere letzten Lebensstunden. Darum muß ich dir unbedingt etwas sagen. Ich hätte nie geglaubt, daß ich mich einmal mit einem Vogel anfreunden würde, obendrein mit einem Raben. Aber jetzt bin ich stolz darauf, daß ich einen so klugen und lebenserfahrenen Freund wie dich gefunden habe. Ganz ehrlich, ich bewundere dich.«
    Der Rabe räusperte sich ein wenig verlegen und antwortete dann mit rauher Stimme: »Ich hätt’ auch nie gedacht, daß ich mal einen echten Kumpel haben würde, der ein berühmter Künstler is’ und obendrein auch noch so ein feiner Pinkel. Ich kann das nicht so richtig ausdrücken. Gute Manieren und vornehme Wörter hat mir keiner nicht beigebracht. Weißt du, ich bin halt bloß ein ganz gewöhnlicher Vagabund, mal hier, mal da, und hab’ mich so irgendwie durchgeschlagen im Leben. Ich bin nicht so gebildet wie du. Das windschiefe Rabennest, wo ich aus dem Ei gekrochen bin, war ein ganz gewöhnliches Rabennest, und meine Eltern waren ganz gewöhnliche Rabeneltern - sehr gewöhnliche sogar. Mich hat nie wer besonders leiden mögen, nicht mal ich selbst. Und musikalisch bin ich schon gar nicht. Ich hab’ nie keine schönen Lieder gelernt. Aber ich stell’ mir’s großartig vor, wenn man sowas kann.«
    »Ach, Jakob, Jakob«, rief der kleine Kater und hatte Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, daß er nahe am Weinen war, »ich stamme ja überhaupt

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