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Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch

Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch

Titel: Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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nun etwas Unsichtbares in die Flammen zischen ließ, sprach er:

    »Flammen, Glut- und Luftgebilde,
    regsam in der Zeit allein,
    eure heiße, zuckend-wilde
    Tanzbewegung ist nur Schein.

    Kleid der Salamander-Gilde,
    durch der Gegenzeit Gewalt,
    Flammen, Glut- und Luftgebilde,
    werdet hart und werdet kalt!«

    Im gleichen Augenblick hörte das Feuer auf zu flackern, es blieb stehen - völlig bewegungslos - und sah nun aus wie eine sonderbare große Pflanze mit vielen grünleuchtenden, gezackten Blättern.
    Irrwitzer griff mit bloßen Händen hinein und pflückte ein Blatt nach dem anderen ab, bis er den ganzen Arm voll hatte. Kaum war er damit fertig, flackerte ein neues Feuer im Kamin auf und tanzte wie zuvor.
    Der Zauberer ging zum Tisch in der Mitte des Labors und setzte dort die starren, glasig-grünen Blätter zusammen wie Teile eines Puzzle-Spiels. Wo die gezackten Ränder genau zusammenpaßten, verschmolzen sie im Nu zu einem einzigen Stück. (In jedem Feuer bilden die verschiedenartigen Flammenformen - wenn sie zusammengefügt würden - immer ein Ganzes, nur ändern sich diese Formen eben ständig und zwar so schnell, daß man es mit dem normalen Auge nicht beobachten kann.)
    Sehr rasch entstand unter Irrwitzers kundigen Händen eine flache Schale, dann setzte er Seitenwände an, bis schließlich ein rundes, großes Goldfischglas von etwa einem Meter Höhe und dem selben Durchmesser entstanden war. Es glühte in grünlichem Licht und sah irgendwie unwirklich aus.
    »So«, sagte der Zauberer und wischte sich die Finger an seinem Schlafrock ab, »das hätten wir. Sieht gut aus, findest du nicht?«
    »Und du meinst, das hält?« fragte die Hexe. »Hundertprozentig?«
    »Worauf du dich verlassen kannst«, antwortete er.
    »Beelzebub Irrwitzer«, sagte Tyrannja mit einer Mischung aus Neid und Respekt, »wie hast du das gemacht?«
    »Solche wissenschaftlichen Prozesse wirst du wohl kaum verstehen, Tantchen«, erwiderte er. »Wärme und Bewegung gibt es nur in der positiv verlaufenden Zeit. Wenn man negative Augenblicke, sogenannte Antizeit- Partikel, darüber stäubt, dann heben sie sich gegenseitig auf und das Feuer wird starr und kalt, wie du gesehen hast.«
    »Kann man es anfassen?«
    »Selbstverständlich.«
    Die Hexe strich vorsichtig mit der Hand über die Oberfläche des Riesenglases. Dann fragte sie: »Könntest du mir das beibringen, Bubi?«
    Irrwitzer schüttelte den Kopf.
    »Betriebsgeheimnis!«

Der Tote Park, der die Villa Alptraum umgab, war nicht besonders groß. Obwohl er mitten in der Stadt lag, hatte ihn kaum einer der Bewohner der Umgebung je zu Gesicht bekommen, denn er war von einer drei Meter hohen Steinmauer umgeben.
    Aber Zauberer können auch unsichtbare Hindernisse errichten, die zum Beispiel aus Vergessen bestehen, oder Traurigkeit oder Verwirrung. So hatte Irrwitzer außerhalb der Steinmauer auch noch eine unsichtbare Barriere aus Angst und Schrecken um seinen Besitz errichtet, die jeden Neugierigen dazu bewog, lieber rasch weiterzugehen und sich nicht um das, was hinter der Mauer lag, zu kümmern.
    Nur an einer Stelle gab es ein hohes Tor aus verrostetem Eisengitter, aber auch dort konnte man nicht in den Park hineinspähen, weil der Blick durch eine dichte, verfilzte Hecke aus schwarzem Riesendorn verstellt wurde. Dieses Tor benützte Irrwitzer, wenn er mit seinem Magomobil ausfuhr - was freilich selten genug vorkam.
    Der Tote Park hatte einstmals - als er noch nicht so hieß - aus einer Menge wunderschöner großer Bäume und malerischer Buschgruppen bestanden, aber jetzt waren sie alle kahl - und nicht nur, weil Winter war. Der Zauberer hatte jahrzehntelang seine wissenschaftlichen Experimente an ihnen gemacht, hatte ihr Wachstum manipuliert, ihre Fortpflanzungskräfte verkrüppelt, ihre Lebenssubstanzen abgezapft, bis er sie langsam einen nach dem anderen zu Tode gemartert hatte. Jetzt reckten sie nur noch dürre, verkrümmte Äste in den Himmel, als hätten sie vor ihrem Ende mit schmerzlichen Gebärden um Hilfe gerufen, doch niemand hatte ihren stummen Schrei gehört. Vögel gab es schon lange nicht mehr in diesem Park, auch im Sommer nicht.
    Der kleine dicke Kater stapfte durch den tiefen Schnee, und der Rabe hüpfte und flatterte neben ihm her, wobei er vom Wind ab und zu einfach umgeblasen wurde. Beide schwiegen, denn sie brauchten ihre ganze Kraft, um sich vorwärts zu kämpfen.
    Die hohe Steinmauer wäre für Jakob kein Problem gewesen, wohl aber war sie es für Maurizio.

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