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Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch

Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch

Titel: Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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gleich einem wahnsinnig gewordenen Riesengoldfisch im Kreise herum.
    Irrwitzer und Tyrannja waren aus der Vierten Dimension zurückgekehrt und hingen nun total erschöpft auf ihren Stühlen. Am liebsten hätten sie sich jetzt einfach ein paar Minuten völlig gehen lassen, um sich zu entspannen, aber gerade das durften sie sich auf keinen Fall erlauben; es hätte sie in äußerste Lebensgefahr gebracht.
    Mit glasigen Augen starrten sie auf das Gefäß.
    Obgleich der Punsch im Prinzip fertig war und sie nun nichts mehr weiter zu tun hatten, galt es in diesen letzten Minuten vor der Vollendung ihres teuflischen Werkes, noch eine Schwierigkeit zu überwinden, die sich beinahe als die größte von allen erwies. Sie bestand darin, etwas bestimmtes nicht zu tun.
    Laut der allerletzten Anweisung auf der Pergamentrolle brauchten sie jetzt nur noch abzuwarten, bis die Flüssigkeit ganz und gar zur Ruhe gekommen war und alles Trübe sich resdos aufgelöst hatte. Doch bis zu diesem Moment durften sie auf keinen Fall etwas fragen, ja sie durften noch nicht einmal eine Frage denken.
    Jede Frage (zum Beispiel »Wird es gelingen?« oder »Weshalb tue ich das?« oder »Hat es einen Sinn?« oder »Was wird daraus werden?«) enthält ja einen Zweifel. Und zweifeln durfte man in diesen letzten Augenblicken absolut an nichts mehr. Man durfte sich noch nicht einmal in Gedanken fragen, warum man keine Fragen stellen durfte.
    Solange der Punsch sich noch nicht ganz beruhigt hatte und klar und durchsichtig geworden war, befand er sich nämlich in einem höchst empfindlichen, instabilen Zustand, der ihn sogar auf Gefühle und Gedanken reagieren ließ. Schon der kleinste Zweifel an ihm konnte bewirken, daß das ganze Gebräu wie eine Atombombe explodierte und nicht nur den Zauberer und die Hexe, sondern auch die Villa Alptraum, ja das ganze Stadtviertel in die Luft sprengte.
    Nun ist ja bekanntlich nichts schwerer, als an etwas bestimmtes nicht zu denken, das einem gesagt worden ist. Zum Beispiel denkt man normalerweise nicht gerade an Känguruhs. Aber wenn einem gesagt wird, man dürfe jetzt für die nächsten fünf Minuten auf keinen Fall an Känguruhs denken - wie stellt man es da an, nicht gerade deswegen an Känguruhs zu denken? Es gibt nur eine Möglichkeit: Man muß mit aller Konzentration an etwas anderes denken, ganz gleich an was.
    So saßen Irrwitzer und Tyrannja nun also da, und vor Angst und Anstrengung, nur ja an keine Frage zu denken, traten ihnen buchstäblich die Augen aus den Köpfen.
    Der Zauberer sagte sich leise alle Gedichte auf, die er in seiner Kinderwüstenzeit gelernt hatte. (JLinàer wüste ist bei bösen Zauberern das, was man bei normalen Menschen Kinder garten nennt).
    Monoton und atemlos murmelte er vor sich hin:

»Ich bin ein kleines Monsterschwein
und stinke vor mich hin.
Ich will stets grimm und grauslich sein,
bis ich ein großes bin.«

    Oder:
»Als das Büblein dem Fröschlein den Kopf abbiß,
da ward ihm so wohlig zumute,
denn Böses zu tun, macht doch ganz gewiß
mehr Spaß als das blöde Gute.«

    Oder:
»Nesthäkchen zupft bedächtig still
die Beinchen aus den Fliegen,
denn was ein Haken werden will,
muß sich beizeiten biegen.«

    Oder schließlich sogar das Schlafliedchen, das seine Mutter ihm immer vorgesungen hatte, als er noch ganz klein war:

»Schlaf, Kindchen, schlaf!
Dein Vater ist ein Graf,
der fliegt herum als Fledermaus
und saugt das Blut der Leute aus.
Schlaf, Kindchen, schlaf!

Trink, Kindchen, trink!
Die Zähnchen wachsen flink.
Dann machst du’s einst wie dein Papa:
Ein Bißchen hier, ein Bißchen da!
Trink, Kindchen, trink!«

    Oder andere erbauliche Verse und Liedchen.
    Währenddessen rechnete Tyrannja Vamperl im Kopf aus, wieviel ein einziger Taler, der im Jahre Null zu sechs Prozent Zinsen auf ein Bankkonto gelegt worden wäre, bis zum gegenwärtigen Tage mit allen Zinseszinsen ergeben würde, vorausgesetzt daß diese Bank heute noch existierte.
    Sie tat das mit der folgenden, allen Geldzauberern und -hexen bekannten Formel:

    K n = K o (1 + i) n

    Sie war bereits bei einer Geldsumme angelangt, die dem Gegenwert mehrerer Goldkugeln vom Umfang unseres Erdenballs entsprach, aber sie war noch lange nicht in unseren Tagen angekommen. Sie rechnete und rechnete, denn sie rechnete ja um ihr Leben.
    Aber je länger sich diese Minuten hinzogen - der Punsch war noch immer nicht vollkommen ruhig und klar - desto mehr hatte Irrwitzer das Gefühl, als ob sein ganzer langer Körper sich zu einem

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