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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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natürlich zu La Traviata. Vielleicht empfand er die Wohnung als Kindergarten, aber er schien sich wohl in ihr zu fühlen. Jimmy Breen war ihm sympathisch, weil der auch lachen konnte, und Wolfgang war in New York gewesen, und er war dort nicht vor die Hunde gegangen, sondern hatte sich drei Wochen lang prächtig amüsiert. Man würde in seinem Wagen hinunter nach Wannsee fahren und dann übersetzen und hatte den ganzen Nachmittag.
    Johann wollte Peter mitnehmen. Er ging mit Breen hinunter ins andere Haus und klingelte. Zur Pfaueninsel? sagte Peter und spuckte aus. Familienausflug? Willst du Frieden schließen, Johann, gibst du klein bei, suchst du jetzt auch die Idylle? Ich hab noch ein paar Exemplare der Gartenlaube. Willst du die?
    Es ist nur ein schöner Tag, sagte Johann. Und wir wollen raus, weiter nichts.
    Jimmy Breen lehnte im Türrahmen und schwieg. Peter sah ihn an, dann Johann. Johann sah, wie sein Mund schmal wurde und sich bewegte.
    Ich denke gar nicht dran, irgendwohin ins Grüne zu fahren. Ich denke gar nicht daran, mich von irgendwas zu reinigen!
    Ich dachte, daß du vielleicht mitkommen wolltest, sagte Johann.
    Du dachtest! Bin ich dein gottverdammter Vater.
    Gewiß nicht, sagte Johann.
    Wenn du unbedingt den Fremdenführer spielen willst, dann ohne mich. Ich bin kein Alibi.
    Wofür solltest du wohl ein Alibi sein, sagte Johann.
    Du weißt wofür. Wenn du weglaufen willst, bitte, aber versuch nicht, mich mitzunehmen. Erspar mir, dich als Schwächling zu sehen.
    Du bist der Feigling von uns, schrie Johann. Dann bleib halt hier!
    Du kommst zurück. Vielleicht brauchst du zwei Stunden Kino auf der Pfaueninsel, aber du weißt, das ändert gar nichts, und deshalb kommst du zurück. Du kannst nur vorwärts, denk daran, du kannst nur noch vorwärts, genau wie ich.
    Fick dich, sagte Johann und ging. Jimmy Breen folgte ihm. Peter warf seine Wasserpfeife ungeschickt hinter ihnen her. Sie zerklirrte an der Wand. Er setzte sich auf sein Bett und kugelte sich zusammen, den Kopf zwischen den Knien. Das muß reichen, flüsterte er, das muß genügen, das muß doch reichen.
    Jimmy Breen atmete auf, als sie Jennifer mit dem Baby, Wolfgang, Barbara und Maria auf der Straße vor dem Auto stehen sahen. Strange friends you have. What is he so fucking sad about? In New York he’d be killing himself within two days. Why’s he so sad?
    Die Sonne schien weiß und kühl zwischen den Baumkronen hindurch, und die roten, braunen und gelben Blätter leuchteten auf dem harten Erdboden. Die Havel war herbstgrau, der Wasserspiegel lag unbewegt, in sanftes milchiges Licht getaucht. Familien und verliebte Pärchen bewegten sich langsam auf den Rundwegen voran. Es war still, nur die Zweige und das verbliebene Laub wisperten trocken und kalt in der leichten Brise von Westen.
    Jimmy, mit einem Fotoapparat um den Hals, in seinem schwarzen Anzug mit der umgedrehten Schirmmütze auf dem Kopf, ging vorneweg mit Wolfgang und Barbara. Jen und Maria waren eingehakt und unterhielten sich leise, und manchmal lachten sie. Johann ging am Schluß, Jessica auf den Schultern. Er betrachtete die anderen von hinten und hielt den Abstand. Er redete nicht mit dem Kind, das sich mit seinen kleinen Händen in seinem Haar festhielt, aber erhörte, wie es ruhig und gleichmäßig atmete, und spürte, wie es den Kopf drehte und sich alles ansah.
    Dann kamen sie auf die weite offene Fläche, wo das Pappschloß stand. Alle machten ihre Witze darüber, lachten, spotteten und klopften gegen die dünnen Wände, aber Jimmy Breen gefiel der seltsame Bau, auch wenn er lächelnd den Kopf schüttelte, er fotografierte, lief um das Schloß herum und blieb noch dort, als die anderen schon längst weiter waren. Die Rückfahrt war still und friedlich, jeder genoß schläfrig das Brummen des Motors. Nur Breen, der vorn neben Wolfgang saß, drehte sich um und begann immer wieder zu sprechen.
    Am Abend, als Jen mit Maria ins Kino ging, blieb er in Barbaras Zimmer und überwachte den Schlaf des Babys. Als die beiden Frauen nachts zurückkamen, hängte sich Breen seine Schultertasche mit den Farbdosen um und verließ die Wohnung, um das nächtliche Kreuzberg zu besprayen.
     
    Johann wachte auf und ging in den großen Raum. Es war schon nach Mittag. Barbara, Jen und das Baby saßen im Zwielicht des trüben nebligen Herbsttages auf den Gartenstühlen. Die Wolken lasteten voll und schwer auf den Dächern, und der Tag dämmerte schon jetzt kraftlos seinem Ende entgegen. Sie

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