Der Saubere Tod
Jimmys artwork war vielseitig: Er hatte zwei bands, Drunk Driving und Jimmy Breen & the Missing Passengers, und er trat, wenn er auf Reisen war wie jetzt, auch allein auf. Seine Musik, erzählte er, sei am meisten von Blixa Bargeld und den Collapsing New Buildings beeinflußt. Außerdem malte er auch, aber nicht so viel und so gut wie Jennifer, die er auf der art school kennengelernt hatte, wo sie in der gleichen Klasse saß wie Keith Haring, dieser Bastard, der jetzt Hunderttausende scheffelte, obwohl er alles nur nachäffte, nein, malen wollte er nicht, spray painting, das sei seine Domäne, aber keine großen Graffiti, nein, er sprühe meist nur sein Signum, das habe er erfunden in New York, erzählte er, das eigene Markenzeichen als Kunst, Eigenwerbung als Kunst und Kunst durch Werbung, er würde es sich jetzt patentieren lassen; sein Signum, das sei ein umgekehrtes Sektglas, also ein T über einem Dreieck, das stehe für Ende des schönen Lebens, Ende des Genußzeitalters und daneben drei Striche und ein vierter, der sie durchkreuze, das alles bedeute third world trouble, das gelte es zu erwarten, aber New York sei riesengroß, und er sei mittlerweile dreißig, als Jimmy Missingjedoch, erzählte er, gebe er sich für zwanzig aus. Mit dreißig werde man kein Star mehr, nicht in New York, aber er komme dort für zwanzig durch. Jennifer fuhr das Baby, das immer lächelte und glücklich aussah, und unterhielt sich mit Maria übers Malen. Jimmy Breen erzählte Johann, daß sie ihre Heirat als Happening veranstaltet hatten, mit einer Zeremonie auf Liberty Island am Fuß der Freiheitsstatue und einem anschließenden Hubschrauberrundflug über Manhattan als Feier für die geladenen Gäste, und es gab ausschließlich Jelly Beans als Protest gegen Reagans Politik, aber einige Monate später, als Jessica unterwegs war, hatten sie auch standesamtlich geheiratet.
Jen wouldn’t have a baby without being married. Her parents are very catholic. Irish catholic. You know, I’m an anarchist, I don’t care. I mean, so is she, but nevertheless she wouldn’t have a baby without being officially married. When we found out, it was too late anyway to do something about it. And Jen would rather die than do something about it. I reckon, I love her plenty.
Die Breens hatten Geld gespart, Jennifer durch den Verkauf von drei Bildern und Jimmy durch ein halbes Jahr Arbeit in einer jüdischen Werbeagentur, und waren nach Europa gekommen. Zuerst drei Wochen London, dann einen Monat Amsterdam, wo ein Musiker lebte, den sie aus New York kannten, und jetzt Berlin, wo Barbara lebte, die Jennifer einmal in Dublin kennengelernt hatte, die Stadt von Blixa Bargeld. Den Winter wollten sie im Süden verbringen, Jimmy meinte, die südliche Sonne sei gut für Jessicas Wachstum.
Johann wich nicht von Jimmy Breens Seite an diesem Tag. Der Amerikaner bestimmte das Tempo, er bestimmte die Richtung, seine Neugier erneuerte die verlassenen Straßen, seine Naivität wusch die selbstgefälligen Gespenster von den Mauern, seine Geschwindigkeit verlängerte den Tag, und seine Wachheit fuhr den andern ins Blut wie Kokain. Erentschied nichts, er fragte nur, er hatte kein Ziel anzusteuern, er wollte nur vorwärts; es war das amerikanische Zeitmaß, das ihn beherrschte, sein New Yorker Tempo, das die Atome dreier europäischer Tage in eine explosive 2 4-Stunden -Granate preßte. Johann hörte ihm zu, wie er über Kunst redete und die Notwendigkeit, herauszukommen, und wie er die ganze Welt auf einfachen Fragen und noch einfacheren Antworten aufbaute, die aus den Worten: Ja, wie und wann bestanden. Johann beobachtete ihn, wie er Jessica hochhob, seine Nase in ihrem Gesicht rieb und sie auf seine Schultern setzte, und wie ihre Beinchen in der Wollstrumpfhose auf seiner Brust baumelten und wie stolz er erzählte, daß sie während der ganzen anstrengenden Reise so gut wie nie geweint habe. Jennifer war mit Maria ins Gespräch vertieft, und dann fragte Jimmy, wo er auftreten könne in Berlin, und Maria schlug das Blockschock vor.
In der Wohnung klärten Jimmy und Jen, wer wann bei Jessica bleiben würde. Sie hatten eine Regelung getroffen, nach der sie abends abwechselnd ausgingen und sich um das Baby kümmerten. Es geht sehr gut, wir haben keine Probleme damit, sagte Jen. Manchmal, wenn wir beide zusammen weg wollen, müssen wir warten, bis die Kleine schläft, oder wir suchen jemanden, der den Abend über bei ihr bleibt. Aber es geht sehr gut. Jen würde diesen
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