Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
Vom Netzwerk:
wollten nach Ostberlin und warteten auf Jimmy, der noch ein Bild malte, das er am Abend als Bühnendekoration benutzen wollte. Die drei waren morgens am Checkpoint Charlie gewesen und hatten das Museum besucht, wo Breen das Foto des über den Stacheldraht springenden Volkspolizisten gekauft hatte. Jetzt malte er es nach, in schwarzen, grauen, grünen und roten Acrylfarben aus Jens Rucksack.
     
    Ostberlin lag in stiller Betriebsamkeit unter einem niedrigen grauen Himmel. Wattebäusche feuchter Luft schwebten um das gelbe warme Licht der Straßenlaternen. Jimmy Breenwar schweigsam geworden und hielt sich dicht bei Johann. An der Grenzkontrolle noch ein selbstbewußter Amerikaner, drückte ihn die lautlose kalte Pracht der Allee nieder. Dann waren sie auf einem großen schwarzen leeren Platz mit abgestorbenen jungen Bäumen, steinernen und bronzenen Figuren und zwei geraden Reihen grauer Papierkörbe.
    Das erinnert mich an Palermo, sagte Barbara. Dort gibts ein Kapuzinerkloster, in dessen Katakomben Tote stehen. Reiche Bürger und Adlige, die dem Tod ein Schnippchen schlagen wollten. Sie ließen sich mumifizieren und dort aufstellen oder hinsetzen. Viele sehen noch gut aus, aber ein wenig zusammengesackt sind sie alle. Sie wollten Stolz zeigen, und sie stehen noch. Sie haben die Farbe von Termitenhügeln, und die Zeit hat sie durchgespült wie Schneckenhäuser am Strand.
    The park of death, sagte Jennifer.
    Gimme a cigarette please, bat Jimmy Johann und berührte dessen Hand, als ihm die Schachtel gereicht wurde.
    Als sie weitergingen, waren sie Magneten, die sich anziehen und abstoßen, nicht zueinander können und nicht voneinander fort. Breen fühlte sich zu Johann hingezogen, ohne ihn erreichen zu können, Johann ging es ebenso mit Barbara und Barbara mit Jen. Nur Jen bildete eine Einheit mit dem Baby, sie schob es im Wägelchen vor sich her, und Jessica war genauso wach und fröhlich wie sonst, und Jen schob sie vor sich her wie einen Schutz.
    Es war zu spät, um vom Fernsehturm aus, dessen Spitze in den Wolken verschwand, noch irgend etwas sehen zu können. Dennoch fuhren sie hinauf und starrten von oben, verteilt in alle Himmelsrichtungen, durch das dunkel getönte Glas hinaus in die Finsternis. Nichts war mehr zu sehen außer einigen Lichtern in der Dunkelheit, schwach schimmerte die Beleuchtung des Brandenburger Tors.
    So that was East Berlin, sagte Jimmy Breen in der U-Bahn auf dem Weg zurück nach Kreuzberg. Well, I can tell you, I mean, I guess that’s the damnedest place I ever been to. You know it’s clean and normal and fine and everything, but it makes me wanna have a beer or a whisky or something, I mean, you know, I couldn’t breathe anymore, I don’t know how to explain it, it’s sort of depressing, you know, of course you hear lots of things about it, but it’s different, you never could explain it to anybody who hasn’t been there, somehow everything has stopped there, it’s not that there weren’t people though, there are, of course, and it’s clean and everything, but it gives me a feeling of bloody death, you know, not the city, myself, I feel like dying, well not exactly dying, still, I got it still, I mean, didn’t you notice as well, it’s a feeling of death, you know, not your own death, death that’s approaching, very sinister, a clean death approaching us, not our own death though, maybe not our own death, anyway, you know what, I’ll use that tonight, I’ll write some lines to it, I guess that is it, to use those damn feelings at once, you gotta do that, give them away, give them to your audience, that’s the thing to do, nobody will understand it though, but well, anyway, I guess I have to write some fucking lines about it to get rid of it, I mean, what do you think, Johnny, you don’t say anything anymore. I mean, do you agree with me?
    Yes, sagte Johann.
     
    Jimmy Breens Auftritt war nicht besonders lang, und das Wort New York hatte nicht allzu viele Zuschauer angelockt. Die dunkle Höhle vor der Bühne war nur halbvoll, zu viel leerer Raum für Aggressionen, und da keiner verstand, was Breen halb sang, halb deklamierte, jeder sich aber bemühte zu begreifen, worum es ging, saugte die Konzentration alle anderen Emotionen löschpapierhaft auf. Jimmy Breen stand hinter einem Pult, auf dem eine E-Gitarre lag, und las einen Text. Er sang ihn, schrie ihn, flüsterte, brüllte, leierte, beschwörte,erzählte, heulte und spottete. Dazu spielten seine Finger auf einer

Weitere Kostenlose Bücher