Der Sauerteig - das unbekannte Wesen
auszugehen, dass er gesund ist. Alle diese sonstigen Erscheinungen geben sich langsam mit der Zeit wieder und verschwinden, wenn der Sauerteig gefüttert und ordentlich durchgerührt wird. Viele dieser Erscheinungen treten auf, wenn der Sauerteig längere Zeit nicht gefüttert wurde oder im Kühlschrank stand. Ruhe bewahren! Leider wurde aus falsch verstandener Sorge schon so mancher quicklebendige, lediglich etwas hungrige Sauerteig mit einem Toten verwechselt und im Abfluss entsorgt! Der Grundsatz lautet ganz eindeutig:
Solange ein Sauerteig weder rot, grün, blau oder schwarz ist, solange er nicht ganz bestialisch stinkt (und zwar so stark, dass man für kein Geld der Welt noch einmal daran riechen mag) oder Haare bekommt (sichtbar schimmelt), ist davon auszugehen, dass er lebt und stabil aufs nächste Futter wartet.
Wie bereits in den vorherigen Kapiteln erwähnt: Zu den ganz normalen Erscheinungsformen gehört es also, wenn der Sauerteig sich in seine festen und flüssigen Bestandteile trennt, wenn er nur noch aus «dünner Soße» besteht, sich Fusel an der Oberfläche absetzt, gelbe oder weiße Flecken (die von Hefepilzen herrühren) ohne «Haare» entstehen, die Oberfläche wandfarbenartig eingetrocknet ist oder sich Risse zeigen.
Sollte man sich wirklich nicht sicher sein, ob ein Befall mit schlechten und falschen Keimen vorliegt, so kann man es mit folgender Methode überprüfen: Auf einen Unterteller etwas Sauerteig streichen und mit einer Klarsichtfolie verschließen. Wenn sich nach zwei bis drei Tagen an einem warmen Ort ein Schimmelrasen gebildet hat, ist der Sauerteig tatsächlich verdorben. Verändert sich der Zustand des Sauerteiges in dieser Zeit jedoch nicht dramatisch, ist der Sauerteig noch zu gebrauchen. Wenn er dagegen nach 5 Tagen schimmelt, so ist das normal, weil Schimmelpilze sehr starke Organismen sind und gegen den wegen Futtermangel schwächelnden Sauerteig gewinnen werden.
Gerne vergessen wird oft der Geschmack. Lustig ist, dass fälschlicherweise alle Welt der Meinung ist, Sauerteig sei giftig und deswegen keiner auf die Idee kommt, eine Geschmacksprobe zu nehmen. Aber nur so lässt sich der Säuregehalt eines Sauerteiges ohne Laborprobe oder Lackmuspapier bestimmen. Und nur so lässt sich feststellen, ob der Sauerteig sauer genug ist und damit einen natürlichen Schutz gegen Schimmelbefall und gegen eine Kontamination mit fremden, ungünstigen Keimen besitzt.
Sauerteig sollte bei der Geschmacksprobe etwa so sauer sein, dass man am liebsten die Mundwinkel bis zu den Ohren hochziehen würde. Junger Sauerteig hat diese Säure noch nicht. Aber wenn ein Sauerteig gar nicht sauer schmeckt, so fehlt ihm der natürliche Schutz gegen fremde und ungünstige Keime und er könnte schimmeln oder schlecht werden.
Bei schlechten Mehlen kann es sein, dass der Sauerteig bitter schmeckt. Dies kann auch auftreten, wenn die Säure im Sauerteig nicht ausreichend stark gegen Fremdbefall war.
Auf keinen Fall sollte man versuchen, mit Buttermilch oder anderen Zutaten eine Säure zum Sauerteig zu geben. Diese Zutaten sind entweder industriell sterilisiert (alle Organismen sind abgetötet) oder, selbst wenn sie lebende Kulturen beinhalten, für unseren Sauerteig gefährlich. Es sind einfach die falschen Keime, die letztendlich sowieso absterben werden, unseren richtigen Keimen aber den Start schwer machen.
Umzüchten, sonstige Sauerteige
Wer heute von «Sauerteig» spricht, meint üblicherweise den normalen Roggensauerteig für das Roggenbrot. Es gibt aber auch andere Sauerteige, die teilweise sogar gut bekannt sind und seit vielen Jahren im Freundeskreis und am Arbeitsplatz verschenkt werden. Es sind meistens Weizensauerteige, die unter Männernamen wie Hermann, Robert, Siegfried oder Werner bekannt wurden.
Theoretisch kann man aus jedem stärkehaltigen Mehl, das also den Säuerungsbakterien und Hefepilzen Nahrung bietet, Sauerteige herstellen und führen. Allerdings ist das Neuansetzen bei verschiedenen Getreidesorten schwierig, da sich nicht immer die richtigen Bakterien- und Hefekulturen in optimaler Menge und Zusammensetzung auf den Spelzen der Körner und damit im Mehl befinden.
Ganz unproblematisch ist es hingegen, eine bereits vorhandene Sauerteigkultur auf eine andere Getreideart umzuzüchten: Zur 3-Stufen-Führung nimmt man einfach das Mehl der neuen gewünschten Getreideart und eine Sauerteig-Kultur des vorhandenen Sauerteiges. Also: eine
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