Der Schachspieler
braucht schon einen von diesen CSI-Spezialisten, um etwas zu finden. Und jetzt sagen Sie mir als Rechtsexperte, wenn diese Unterlagen in die Hände der Polizei gelangen, würde das nicht ausreichen für einen Durchsuchungsbefehl?«
»Was … wollen Sie von mir?«, flüsterte Stouder kaum hörbar.
»Nur einen kleinen Gefallen, Deputy Attorney General. Wir brauchen nur zusätzliche Augen und Ohren. Nicht mehr. Augen und Ohren.«
Der Staatsanwalt des Bundesstaates New York P. Campton Stouder tat etwas, was er seit über vierzig Jahren, seit er im Alter des kleinen Connelly war, nicht mehr getan hatte.
Stouder fing an zu weinen.
Washington D.C.
Drei Jahre zuvor
7
M al sehen, ob mein bescheidener Verstand ausreicht, um die Sache zu überblicken«, sagte der rotgesichtige Assistant Director Roland Jund in die Runde der Special Agents, die sich im Konferenzsaal versammelt hatten. »Alain Zalentine hatte das große Pech, dass man ihm auf einer Parkplatztoilette das Hirn rausgepustet hat.«
»Auf einer Raststättentoilette, Sir.«
»Ja, Agent Cady, danke, dass Sie uns darüber aufklären, um welches Plumpsklo es sich genau handelt«, meinte Jund seufzend. »Jedenfalls wird am darauffolgenden Tag sein Bruder Adrien tot auf seinem Segelboot gefunden. Ihm hat jemand das Hirn in die Chesapeake Bay gepustet. Jetzt sind diese beiden Jungs aber nicht Hinz und Kunz, sondern die Erben eines der größten Vermögen nach Bill Gates. Und beiden hat man eine gläserne Schachfigur in die Wunde gesteckt.« Der AD warf eine Handvoll Fotos auf den Konferenztisch. Keiner griff danach: Sie hatten dieselben drastischen Bilder in ihren Unterlagen, die Cady vor der Sitzung ausgeteilt hatte.
»Dann ist da noch K. Barrett Sanfield, der Topanwalt in D. C., allgemein als der Zauberer bekannt: vor fünf Wochen in seinem Büro erstochen. Ein Fall, in dem wir bisher nicht den kleinsten Schritt weitergekommen sind. Aber jetzt haben wir erstmals einen Hinweis, einen Zusammenhang, den wir einer gläsernen Schachfigur verdanken, die in Sanfields Solarplexus steckte.«
Jund blickte in die Runde, ehe er fortfuhr: »Und jetzt die große Entdeckung, als wir einen versteckten Tresor in Adrien Zalentines Küche knacken: Die beiden missratenen Bengel waren möglicherweise die größten Serienkiller an der Ostküste seit dem verdammten Würger von Boston!«
Betretenes Schweigen. Cady wusste, dass Jund Morde an Frauen und Kindern besonders zusetzten, doch so angespannt und emotional hatte er den AD noch nie erlebt, und den anderen erging es wahrscheinlich ähnlich. Er warf einen kurzen Blick in die Runde. Elizabeth Preston blätterte in ihren Unterlagen, als warte sie auf ein Wunder. Rechts von ihr saß Special Agent Tom Hiraldi, ein ziemlich grüner Junge, der nur deshalb in den Chessman-Fall einbezogen wurde, weil er in seiner Highschoolzeit zweimal hintereinander die Schachstaatsmeisterschaften gewonnen hatte und heute als Schachexperte des FBI galt. Bevor Jund eingetroffen war, hatte Hiraldi seine Theorien ausgebreitet, was Dame und Läufer zu bedeuten hätten, welche Züge mit den Figuren möglich waren und welche Schlüsse man daraus ziehen könne. Sein Vortrag über die Feinheiten des Schachspiels wurde abrupt unterbrochen, als Jund in den Konferenzsaal platzte und den Vorsitz übernahm.
Auf der anderen Seite des Tisches saß Bryce Drommerhausen, ein Topprofiler, der kurzfristig aus seiner BAU am NCAVC geholt wurde – seiner Behavioral Analysis Unit am National Center for the Analysis of Violent Crime –, um den Agenten Anhaltspunkte über die Motive des Täters zu liefern. Drommerhausen hatte die Morde zuvor mit Hilfe der Datenbank des Violent Criminal Apprehension Program auf Ähnlichkeiten mit anderen Fällen untersucht, ohne jedoch fündig zu werden. Drommerhausens Blick war starr auf Jund gerichtet.
Die Special Agents Arty Gonzalez und Maggie Fitzwilliams, die Forensikspezialisten, die die Tatorte beider Zalentine-Morde untersucht hatten, wirkten blass und betroffen. Special Agent Dan Kurtz, der wahrscheinlich ganz froh war, nicht persönlich anwesend zu sein, war telefonisch aus Quantico zugeschaltet. Cady hatte Allan Sears, den Kripobeamten aus Cambridge, mitgebracht, der ihm in den Dorchester Towers den entscheidenden Hinweis gegeben hatte. Sears hatte sich sofort bereit erklärt, an der Sitzung teilzunehmen. So viel zu seinem Vorhaben, seinem Blutdruck eine Erholungspause zu gönnen.
»Sir«, begann Cady, »in dem feuersicheren
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